Tions Panter
der
Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage.
* Wahrheit, Kenntniß, Tugend und Glaube vereinigt.
„Liebet ihr mich, ſo haltet meine Gebote.“ Joh. 14, 15.
WMI. Aren 1. 1851. 1. Bam.
Indem wir unſere Anſichten öffentlich darſtellen, mag es für mich
als Fremder nothwendig ſein, zu erklären, daß ich ein Aelteſter der Kirche
Jeſu Chriſti der Heiligen der letzten Tage bin, und aus der Großen—
Salz⸗See⸗Stadt, City of the Great Salt-Lake im Utah-Territory in
den Vereinigten Staaten, komme. Ich bin vor Kurzem von Paris in dieſe
Stadt angekommen, wo ich die Lehren unſerer Religion gepredigt und
im Druck herausgegeben habe. Der Herr G. P. Dykes aus demſelben
Orte, Aelteſter derſelben Kirche iſt auch hier anweſend. Der Zweck unſeres Hier—
ſeins iſt, ſo weit die Umſtände es erlauben, unſere Grundſätze in dieſer
Stadt Hamburg und in Deutſchland bekannt zu machen. Da die Lehren
unſerer Kirche in dieſem Lande faſt gänzlich unbekannt ſind, haben wir
es für das Beſte gehalten, Gebrauch von der Preſſe zu machen, als
ein Hülfsmittel, um dieſelben auseinander zu ſetzen. Ich habe daher dieſe
Herausgabe angefangen, welche wir beabſichtigen, ein Mal in jedem Monate
erſcheinen zu laſſen. Auf dieſe Weiſe habe ich es in Paris gemacht, und
finde es ſehr bequem, weil es denjenigen, welche die Wahrheit zu erfor—
ſchen wünſchen, Gelegenheit giebt, ruhig und allmählig unſere Grundſätze
zu unterſuchen.
Wir haben eine Menge Journale, welche in verſchiedenen Theilen der
Welt herausgegeben werden. In Utah-Territory, Californien wird eins
herausgegeben, welches wir „die Nachrichten Deſerets“ nennen, ein anderes
in Kanesville in dem Staate Iowa, „der Grenzenhüter,“ eins erſcheint
in Liverpool, welches „der tauſendjährige Stern“ genannt wird; ein an—
deres in Wales, „die Poſaune Zions,“ eins in Paris, „der Stern De—
ſerets,“ und eins in Copenhagen, „der Skandinaviſche Stern“ genannt. Alle
werden von erfahrnen und talentvollen Männern redigirt, und wir beab—
ſichtigen, von Zeit zu Zeit Auszüge aus denſelben mitzutheilen.
Während unſere Zeitſchrift den Einwohnern Deutſchlands unſere
Anſichten darſtellt, wird ſie zur ſelbigen Zeit zur Belehrung und zum
Troſte für diejenigen unſerer Brüder in Amerika, England, Frankreich,
in der Schweiz und Dänemark dienen, welche die deutſche Sprache verſtehen.
Es wird wohl nicht nöthig ſein hier anzuführen, daß wir nichts mit
1
mn —
Politik zu thun haben, da unfere allgemeinen Grundſätze in dieſer Hin—
ſicht, ſo wohl bekannt ſind. Unſere Religion lehrt uns den Geſetzen, Ein—
richtungen und Verordnungen aller Länder, wo wir uns aufhalten,
gehorſam zu ſein. Wir ſind Diener unſers Herrn Jeſu Chriſti, und ſind
gekommen, ſein Wort zu predigen, und die Grundſätze bekannt zu machen,
welche er uns anvertraut hat; und indem wir das Reich Gottes aufbguen,
wünſchen wir in Frieden mit allen Menſchen zu leben; und die Grund—
ſätze der Wahrheit, Tugend, Reinheit, Kenntniß und Glückſeligkeit der
Welt, hervorzuheben und zu vervielfältigen.
An die Freunde des Keiches Gottes.
Wir beabſichtigen in dieſer unſerer erſten Herausgabe, einen kurzen
Bericht des Urſprunges, der Fortſchritte, Einrichtung, Verfolgungen, des.
Glaubens, und der Lehre der Kirche Jeſu Chriſti der Heiligen der letzten
Tage, zu geben, damit unſere Leſer von uns ſelbſt erfahren mögen, wie unſer
religiöſer Glaube beſchaffen iſt, und unſere wirkliche Stellung in jetziger Zeit.
Man hat mich oft auf dieſem Feſtlande gefragt: Seid Ihr Proteſtanten
oder Katholiken? Hierauf antwortete ich, wir ſind keins von beiden in
der allgemeinen Auffaſſung des Worts, aber doch beides in manchen
anderen Hinſichten.
Unſere Kirche iſt nicht durch Proteſt gegen die Römiſch-Katholiſche
und ihre beſonderen Lehren begründet worden, ſie iſt auch kein
Zweig dieſer Kirche, und verdankt derſelben nicht ihren Urſprung. Sie
iſt auch nicht nach dem Muſter der proteſtantiſchen Kirche gebildet, und
hat keine Verbindung mit irgend einer zu derſelben gehörigen Seete.
Die Lehren, Vorſchriften, Autorität und Organiſation, welche wir in
unſerer Kirche haben, ſind durch directe Offenbarungen vom Himmel aus—
gegeben worden, ohne Beziehung auf irgend eine andere Kirche in Hinſicht
der Autorität, Lehren und Vorſchriften. Die Lehren, welche unſere Kirche
bekennt, ſind in dem Buche Mormons ab und fie hat ihre
Autorität durch die Gabe, Vermittelung oder Miniſterium der heiligen
Engel empfangen. Daher iſt dieſelbe in allen Punkten, die wir ange—
geben haben, eben ſo unabhängig von jeder anderen Kirche, als
wenn es gar keine Kirche irgend einer Art auf der Welt gäbe. Doch
dies verhindert nicht, daß ihre Lehren, ihre Vorſchriften und ihre Organi—
ſation nicht genau dieſelben ſeien, wie unſer Herr und Heiland Jeſus
Chriſtus ſie uns gab, und wie ſeine Jünger dieſelben vor achtzehnhundert
Jahren auf dem Feſtlande Aſiens lehrten und adminiſtrirten, wie es im
neuen Teſtament uns berichtet wird. In der That iſt es eine Wiederher—
ſtellung dieſer Lehren, Grundſätze und Vorſchriften, nicht von Menſchen
oder durch Menſchen, ſondern durch das Aufthun des Himmels, und der
Offenbarung des Willens des Herrn, zu den Bewohnern der Welt.
ze
Die Kirche Jeſu Chriſti der Heiligen Ver letzten Tage, erhielt ihre erſte
Organiſation in der Township Manchester, Ontario County, State
of New- Vork, in den Vereinigten Staaten Nord-Amerika's, am Gten
April 1830. Vor dieſer Zeit, erſchien ein Engel, einem jungen Menſchen
von 15 Jahren, dem Sohn eines Pächters, Namens Joſeph Smith.
Dieſer belehrte ihn über viele Dinge in Beziehung des religiöſen Zuſtan—
des der Welt, und über die Nothwendigkeit einer richtigen Kirchen-Orga—
niſation; auch offenbarte er ihm viele Begebenheiten, die in den letzten
Tagen nach den Worten der Propheten ſich zutragen werden. *
Ich werde die Worte, welche er mir ſagte ſo genau als möglich wieder—
holen. Er ſagte mir, daß in der Nachbarſchaft ſeiner Wohnung ver—
ſchiedene Geſellſchaften mehrerer Secten ſich vereinigt hätten, um eine
religiöſe Erweckung herbeizuführen, eine Sache, die ſich in den Vereinigten
Staaten oftmals ereignet. Eine große Anzahl erklärten ſich als bekehrt,
und unter dieſen zwei oder drei Mitglieder der Familie ſeines Vaters.
Nachdem dieſe Erweckung zu Ende war, erhob ſich ein Zwieſpalt, um zu
wiſſen, zu welcher Secte jene Neubekehrten gehörten. Ein Mitglied der
Familie feines Vaters ſchloß ſich einer Seete an, und ein zweites bekannte
ſich zu einer andern Partei. Sein Geiſt ward betrübt: Er ſah Zwieſpalt
anſtatt des Friedens, und Uneinigkeit anſtatt Eintracht; und als er dar—
über nachdachte, wie viele Glaubensarten und Religions-Culten vorhanden
wären, ſchien es ihm unmöglich, daß alle recht ſein könnten. Wenn Gott
uns eine Religion gelehrt hat, dachte er, ſo hat er uns keine andere
gelehrt, denn „Gott iſt nicht der Urheber der Verwirrung.“
Beim Leſen ſeiner Bibel ward er lebhaft gerührt, als er die Stelle in
der Epiſtel St. Jacobi im erſten Kapitel, fünften Vers, antrafß. „So
aber Jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott, der da
giebt einfältiglich Jedermann, und rückt es Niemand auf; ſo wird ſie ihm
gegeben werden.“ Vertrauend auf Gottes Wort zog er ſich in ein
Gehölz zurück, und betete zu dem Herrn und flehte ihn an, ihm Weisheit
und Erkenntniß in dieſer Sache zu geben. Als er ſo beſchäftigt war,
verbreitete ſich ein glänzendes Licht um ihn her, und zwei Berfenen,
welche beide in ihren Geſichtszügen einander glichen, von Glorie umſtrahlt,
ſtellten ſich vor ihm dar, dieſk gaben ihm Belehrung über dasjenige, was
vorher ſein Gemüth beunruhigt hatte. Es wurde ihm verſtändlich gemacht,
daß alle Kirchen in Hinſicht vieler Dinge im Irrthum ſeien; und es
ward ihm anbefohlen, ihren Irrthümern nicht zu folgen und er erhielt
das Verſprechen, daß die Fülle des Evangeliums zu einer ſpätern Zeit ihm
offenbart werden ſollte: Darauf verſchwand die Viſion und ließ ſein
Gemüth in einem Zuſtande der Ruhe und des Friedens.
Einige Zeit darauf, als er in eifrigem Gebet begriffen war, drang
plötzlich ein Licht in ſein Zimmer, gleich dem des Tages, aber weit reiner
und glänzender und glorreicher. Bei der erſten Erſcheinung deſſelben kam
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es ihm vor, als ob das Hin mit verzehrendem Feuer angefüllt wäre.
Dieſe plötzliche Erſcheinung eines ſo herrlichen und heiligen Lichtes, erregte
in ihm ein Gefühl und eine Erſchütterung, welche ſein ganzes Weſen
durchdrang: doch erfolgte darauf eine Ruhe, eine Heiterkeit des Gemüths,
und ein unbeſchreibliches Gefühl von Freude, und in demſelben Augen—
blicke ſtand eine Geſtalt vor ihm. Dieſes Weſen war mit einem Licht—
glanz umgeben, der noch glänzender war als das Licht, in welchem es
ſich bewegte, und obgleich ſein Angeſicht wie ein Blitzſtrahl glänzte, hatte
es doch ein gefälliges, unſchuldiges und glorreiches Ausſehen, fo daß jede
Furcht aus ſeinem Herzen verſchwand, und die tiefſte Ruhe in ſeiner Seele
herrſchte. Die Größe dieſes himmliſchen Weſens überſtieg ein wenig
diejenige der Menſchen in unſern Tagen; ſein Kleid war ganz weiß und
ſchien keine Nath zu haben. Es kündigte ihm an, daß es ein Engel
Gottes ſei, auf Befehl zu ihm geſandt, um ihm zu verſichern, daß ſeine
Sünden vergeben ſeien, und ſeine Gebete erhört, und auch, um ihm die
frohe Botſchaft zu bringen, daß der Bund, welchen Gott mit Iſrael vor
alten Zeiten in Betreff ihrer Nachkommenſchaft gemacht habe, bald erfüllt
werden ſollte; daß das große Werk der Vorbereitung für die zweite
Zukunft des Meſſias ohne Verzug anfangen ſolle — daß die Zeit vor—
handen ſei, wo das Evangelium in ſeiner ganzen Fülle und Kraft allen
Nationen gepredigt werden ſolle; damit ein Volk mit Glauben und
Gerechtigkeit für das tauſendjährige Reich des Friedens und der allgemeinen
Freude ſich vorbereite; und daß er ſelbſt berufen und erwählt ſei, als
ein Werkzeug in Gottes Händen zu dienen, um einige ſeiner wunderbaren
Zwecke in dieſer letzteren Dispenſation zu erfüllen.
Dieſer Engel offenbarte dem Joſeph Smith unter andern, daß die
Amerikaniſchen Indianer ein Ueberbleibſel des Volkes Iſrael ſeien; und
als ſie zuerſt nach Amerika ausgewandert, es ein aufgeklärtes, geiſtreiches
Volk geweſen ſei, das die Erkenntniß des wahren, einzigen Gottes beſeſſen
habe, deſſen Gunſt es genoſſen, und aus deſſen Händen es beſondere
Segnungen empfangen habe; daß ihre Propheten und inſpirirten Schreiber
den Befehl hatten eine heilige Geſchichte der wichtigſten Begebenheiten
zu führen, die ſich unter ihnen ereigneten; daß dieſe Geſchichte lange Zeit
von Geſchlecht zu Geſchlecht übertragen ſei, bis zu der Zeitperiode, wo
das Volk in große Verderbtheit gefallen; wo der größte Theil deſſelben
vernichtet worden, und daß die Annalen (in Folge des Befehls, welchen
Gott einem ihrer letzten Propheten ertheilt) an einen ſichern Ort nieder—
gelegt wären, um ſie vor den Händen der Böſen zu bewahren, welche
ſie zu zerſtören ſtrebten. Joſeph Smith ward durch den Engel unter—
richtet, daß dieſe Urkunden viele heilige Offenbarungen, im Betreff des
Evangeliums des Reiches; ſo wie auch Prophezeiungen über die großen
Ergebniſſe der letzten Tage enthielten; und daß ſowohl, um die Verſpre—
chungen Gottes, die er den Vätern gegeben habe, zu erfüllen, als auch
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um ſeine Zwecke zu erreichen in der Wiederherſtellung ihrer Kinder, es
nothwendig ſei, daß dieſe Urkunden ans Tageslicht gebracht würden. Er
ſelber, Joſeph Smith, ſollte, wenn er getreu bliebe, das Werkzeug
ſein, welches einer ſolchen großen Gnade theilhaftig werden ſollte, dieſe
heiligen Dinge zur Kenntniß aller Völker zu bringen; doch ward ihm
zugleich ausdrücklich angeſagt, daß alles dieſes geſchehen müſſe mit ein—
fältigem Herzen zur Ehre Gottes, und daß dieſe Urkunden Niemandem
anvertraut werden würden, der ſeine eigene Größe ſuche, und heilige
Sachen zu ungerechten und ſpeculativen Zwecken verkehre. Nachdem er
ihm noch manche Belehrungen über vergangene und zukünftige Dinge
gegeben hatte, deren es nicht nothwendig iſt, hier zu erwähnen, ver—
ſchwand der Engel, und das Licht und die Glorie Gottes, die
denſelben umgeben hatten, aber ihm blieb ein vollkommener Frieden
in ſeinem Gemüthe zurück, und eine unbeſchreibliche Ruhe und Hei—
terkeit in ſeinem Herzen. Doch ehe der Morgen anbrach, erſchien ihm
das Geſicht noch zweimal, und gab ihm immer wieder neue Aufklärungen
über das große Werk Gottes, das auf Erden erfüllt werden ſollte. Am
nächſten Morgen ging er ſeiner Gewohnheit nach, auf das Feld, um zu
arbeiten, aber bald darauf erneuerte ſich das Geſicht; derſelbe Engel
erſchien ihm nochmals, und da er in den Viſionen der verfloſſenen Nacht
über den Ort, wo die Urkunden aufbewahrt waren, unterrichtet worden,
ſo ward ihm jetzt anbefohlen, ſogleich ſich dahin zu begeben. Demzufolge
verfügte er ſich ungeſäumt an den Ort, der ihm angezeigt war, und fand
an dem Abhange, beinahe auf der Spitze eines Hügels einen ſteinernen
Kaſten, deſſen eine obere Seite über der Erde ſichtbar war. Mit einem
kleinen Hebel und geringer Anſtrengung entdeckte er den Inhalt des
Kaſtens. Unten am Boden deſſelben war eine alterthümliche Bruſt—
Platte, auf dieſer Platte lagen die Urkunden auf drei kleinen Säulen.
Während er dieſen heiligen Schatz mit Erſtaunen und Verwunderung
betrachtete, ſtand der Engel Gottes, der ihn zuvor beſucht hatte, wieder
bei ihm, und ſeine Seele wurde wieder erleuchtet wie in der vorigen
Nacht und er ward des Heiligen Geiſtes voll, die Himmel waren offen
und die Herrlichkeit des Herrn umgab ihn und ruhete auf ihm.
Während er ſo im Anſchaun und Bewundern begriffen war, ſagte der
Engel: — „Sieh!“ — und alsbald ſah er den Fürſten der Finſterniß,
umgeben von der zahlloſen Schaar ſeiner Anhänger; wie dieſe bei ihm
vorüberzogen, ſagte der Himmliſche Bote: Alles dies iſt Dir gezeigt
worden, das Gute und das Böſe, das Heilige und das Unreine, die
Glorie Gottes und die Macht der Finſterniß, damit Du in der Zukunft
beide Gewalten kenneſt und vom Böſen niemals verleitet oder bezwungen
werdeſt. Siehe, alles was uns anzieht und zum Guten führt und uns
anleitet Gutes zu thun, kommt von Gott, und alles was dieſem entgegen—
ſtrebt, kommt von dem Böſen. Dieſer iſt es, der die Herzen der Men—
ſchen mit Böſem erfüllt, fie verleitet in Finſterniß zu wandeln und Gott
zu läſtern, und Du wirſt von nun an wiſſen, daß ſeine Wege zum Ver⸗
derben führen, aber der Weg der Heiligkeit iſt Frieden und Ruhe. Du
kannſt noch nicht dieſe Urkunden mit Dir fortnehmen, denn Gottes
Befehle ſind ſtreng, und wenn jemals dieſe heiligen Dinge erlangt werden,
ſo muß es durch Gebet, Treue und Gehorſam gegen den Herrn ſein.
Sie ſind nicht hier niedergelegt worden, um Gewinn und Reichthum und
Ehre für dieſe Welt zu erwerben. Sie ſind durch das Gebet des Glaubens,
und wegen der Belehrungen, die in denſelben enthalten ſind, verſiegelt
und haben keinen anderen Werth für die Menſchenkinder als dieſer Beleh⸗
rungen wegen. In ihnen iſt die Fülle des Evangeliums Jeſu Chriſti
enthalten, wie es dem Volke in dieſem Lande gegeben worden, und wenn
es durch die Macht Gottes ans Licht gebracht iſt, wird es zu den Heiden
getragen, von denen viele es annehmen werden, und dann werden die
Abkömmlinge Iſraels wieder zur Heerde ihres Heilands zurückgeführt,
die ſeinem Wort gehorchen werden. Diejenigen, welche die Gebote des
Herrn in dieſem Lande hielten, haben es von Gott erbeten, und durch
Gebet im Glauben dieſe Gnade erlangt; daß wenn auch ihre Nach—
kommen ſündigen, und ſich von den Wegen Gottes entfernen, dieſe
Urkunden doch erhalten werden ſollten, um in ſpäteren Tagen auf ihre
Kinder zu kommen.
Noch viele andere wichtige Sachen wurden ihm von dem Engel offen—
bart, die hier nicht angeführt werden können, es genügt zu ſagen, daß
Joſeph Smith, die erwähnten Platten am 22ſten September 1827 erhielt.
Auf dieſen, welche das Anſehen von Goldplatten hatten, waren die Ur—
kunden eingravirt. Jede Platte war ungefähr ſieben bis acht Zoll lang und
breit, etwas dünner wie gewöhnliche Blechplatten. Auf beiden Seiten
der Platten waren Gravirungen in der modernen oder verbeſſerten Aegyp—
tiſchen Hieroglyphen-Schrift; fie waren an einander geheftet wie die Blät—
ter eines Buchs, und an einer Seite mit drei Ringen an einander befeſtigt,
die durch alle Platten gingen. Die Charactere oder Buchſtaben auf dem
unverſiegelten Theil waren klein und ausgezeichnet ſchön gravirt. Das
ganze Buch trug die Zeichen eines großen Alterthums in ſeiner Zuſam—
menſetzung ſowohl, als in der Gravirung.
Bei dieſen Urkunden befand ſich ein ganz merkwürdiges Werkzeug, das
von den Alten „Urim & Thummim” genannt wurde. Dieſes beſtand
aus zwei durchſichtigen Steinen, klar wie Kryſtall, die an den beiden
äußerſten Enden eines kleinen Bogens eingefaßt waren. Dieſes wurde in
alten Zeiten von Leuten gebraucht, die man Seher nannte, mittelſt
dieſes Inſtruments erhielten ſie Offenbarungen über entfernte, vergangene
oder zukünftige Dinge.
2tes Buch Moſes 28, 30. „Und ſollſt in das Amtſchildlein thun Licht
und Recht (den Urim und den Thummim) daß fie auf dem Herzen
— 7 — a
Aarons ſeien, wenn er eingehet vor dem Herrn, und trage das Amt der
Kinder Iſrael auf feinem Herzen vor dem Herrn allewege.“ Ztes Buch
Moſes 8, 8. Und that ihm das Schildlein an und in das Schildlein
Licht und Recht (den Urim und Thummim). Esra 2, 63. Und Ha⸗
thirſatha ſprach zu ihnen, ſie ſollten nicht eſſen vom Allerheiligſten bis
ein Prieſter ſtände mit dem Urim und Thummim Eicht und Recht).
Jo ſeph Smith hat dieſe Urkunden in die engliſche Sprache überſetzt
durch Gottes Macht und Güte und vermittelſt des Urim und Thummim.
Dieſe ſehr alte Geſchichte giebt uns Nachrichten über ein Volk, welches
ſich vom Thurm zu Babel nach Amerika begiebt, zu einer Zeit als nach
dem Bericht in der Heiligen Schrift, die Menſchen über den ganzen Erd—
boden zerſtreut wurden. Sie enthalten auch noch die Geſchichte eines
anderen Volks, welches Jeruſalem während der Regierung Zedekiahs
verließ, der damals König von Judäa war. Man findet die Erzählung
ihrer Reiſe und ihrer Ankunft auf dem Feſtlande von Amerika, die Weiſe
ihrer Gottes-Verehrung und Beſchreibung ihrer Tempel, verſchiedener
Städte, Burgflecken und Dörfer. Es giebt darin eine Auskunft über die
Länder-Theilung dieſer Völker, ihrer Geſetze, Kriege und Zwiſtigkeiten.
Man erſieht daraus auch, daß Propheten unter ihnen gelebt haben, daß
ſie das Wort des Herrn und Offenbarungen gehabt haben, wie die alten
Iſraeliten auf dem Feſtlande von Aſien; auch findet man darin die
Geſchichte ihrer böſen Thaten, ihrer Beſtrafung und ihres endlichen
Unterganges.
Dieſe Urkunden berichten uns, daß unſer Herr Jeſus Chriſtus nach
ſeiner Auferſtehung ihnen erſchienen iſt, und das Evangelium unter ſie
gepflanzt hat. Daß unſer Herr zwölf Apoſtel unter ihnen erwählte; daß fie
Propheten, Evangeliſten, Prediger und Lehrer hatten; daß ſie tauften im
Namen Jeſu für die Vergebung der Sünden und die Hände auflegten,
um den Heiligen Geiſt zu ertheilen; — daß dieſelben Kräfte, Segnungen
und Gaben ihrer Adminiſtration folgten, als denen der Apoſtel auf dem
Feſtlande von Aſien; daß die Kirche daher die Gabe der Sprachen hatte;
daß die Kranken geheilt wurden, durch Auflegung der Hände; daß ſie
Propheten und Offenbarungen und alle die Segnungen, Gaben, Macht
und Rechte beſaßen, welche die Aſiatiſchen Kirchen hatten; aber daß dieſes
Volk, welches eine Zeitlang fo geſegnet war, im Laufe der Zeit geſün—
digt und Gottes Zorn auf ſich herabgezogen habe. — Ein ſchreckliches
Gericht überraſchte ſie, und Hunderte von Tauſenden derſelben, wurden
in den Schlachten getödtet, und der letzte ihrer Propheten, hatte von dem
Herrn den Befehl erhalten, eine Geſchichte dieſer Vorfälle zu ſchreiben,
und ſie unter der Erde zu verbergen, mit dem Verſprechen, daß dieſe
Geſchichte ans Tageslicht kommen werde, zum Nutzen ſeines Volks und
für die Erfüllung ſeiner Abſichten in den letzten Tagen.
Da man jetzt beſchäftigt iſt, dieſes Buch in die Franzöſiſche Sprache
—
zu überſetzen und binnen kurzem auch eine Deutſche Ueberſetzung deſſel—
ben erſcheinen wird, ſo verweiſe ich den Leſer wegen weiterer Belehrung
über dieſen Gegenſtand au das Buch Mormons.
Der Herr hat in einer Viſion noch drei anderen Zeugen die Sachen
beſtätigt, welche Sea Smith offenbart worden find; ihr Zeugniß
wird mit dem Buche Mormons herausgegeben werden, ſo wie das Zeug—
niß von acht anderen Perſonen, welche dieſe Platten geſehen, ſie unter—
ſucht und angefühlt haben.
Im Jahre 1829, als Joſeph Smith und Oliver Cowdery erfah⸗
ren hatten, welches die rechte Weiſe ſei, die heilige Taufhandlung zu
vollziehen, durch die Belehrung, welche unſer Herr in dieſer Hinſicht den
alten Nephiten gegeben hatte, wie es im Buche Mormon berichtet wird,
da wünſchten ſie auch getauft zu werden; da ſie nun wohl wußten, daß
keine der beſtehenden Kirchen die nöthige Vollmacht hat, um dieſes heilige .
Sacrament zu ertheilen, waren ſie bekümmert zu wiſſen, wie dieſe Auto—
rität wieder hergeſtellt werden könnte. Sie waren in der That wohl
überzeugt, daß ein Befehl, welcher auf die Unſterblichkeit Bezug hat,
nicht gültig ſein könnte, wenn die Leute, welche denſelben vollzögen, nicht
von Gott den Auftrag dazu erhalten hätten. Ohne dieſen Auftrag von
Gott, von welchem Nutzen könnte es fein, oder welche Wohlthaten könnte
es verſchaffen? Die Taufhandlung, wenn ſie dieſelbe in ihrem eigenen
Namen ertheilten, würde von unſerm Herrn nicht auerkannt werden, und
wenn ſie dieſelbe im Namen des Herrn ertheilten, ohne dazu den Auf—
trag erhalten zu haben, wäre es nicht ungerechter Weiſe den Namen des
Herrn mißbrauchen und in heiligen Sachen betrügeriſch handeln und
daher das Mißfallen Gottes auf ſich ziehen? Mit dem innigſten Wunſche
über dieſen Gegenſtand, Aufklärung zu erhalten, fleheten ſie zu dem
Herrn. Während ſie im Gebet begriffen waren, erſchien ihnen ein heiliger
Engel und ſtand vor ihnen. Dieſer gab ihnen Belehrungen über das,
was ſie thun ſollten, darauf legte er ſeine Hände auf ihre Häupter und
ordinirte ſie damit, dann befahl er ihnen, einer den andern zu taufen,
was feinem Befehl zufolge geſchah. —
Am ſechsten April 1830 wurde die Kirche Jeſu Chriſti der Heiligen
der letzten Tage organiſirt ja der Township Manchester, Grafſchaft
Ontario, Staat New-York in Nord-Amerika. Mehrere wurden berufen
und erweckt durch den Geiſt 1 5 Wahrſagung und Offenbarung, und ſie
fingen an zu predigen und Zeugniß zu geben, wie der Geiſt es ihnen ein—
gegeben, und obgleich ſie ſchwache Geſchöpfe dieſer Erde waren, wurden
ſie doch durch den Heiligen Geiſt geſtärkt und gaben ihr Zeugniß mit
großer Kraft, ſo daß viele ſich bekehrten und mit reuigem Herzen und
demüthig kamen und ſich taufen ließen Na Eintauchung ins Waſſer;
ſie bekannten ihre Sünden und erhielten die Gabe des Heiligen Geiſtes
durch Auflegung der Hände, und der Heilige Geiſt legte ſich auf ſie mit
—
großer Kraft, ſie hatten Viſionen und prophezeiten; Teufel wurden aus⸗
getrieben und die Kranken wurden geheilt, durch Auflegung der Hände.
So beſtätigte der Herr ſein Wort, wie in vormaligen Zeiten, auf dem
Continent von Aſien, durch die Zeichen, welche folgten; er berief Zeugen,
um von ſeinem Namen und von der Gründung ſeines Reiches in dieſen
letzten Tagen zu zeugen; und die Herzen ſeiner 1 wurden geſtärkt
und mit großer Freude erfüllt.
Die Kirche wurde organiſirt, durch Offenbarung, nach dem Muſter,
welches unter den Leuten Gottes auf dem Continent von Amerika beſtan—
den hatte, und auch nach dem Muſter, welches von den erſten Chriſten in
Aſien beobachtet wurde, denn Beide waren übereinſtimmend.
In der Organiſation gab es Apoſtel, Propheten, Evangeliſten, Paſto—
ren, Biſchöfe, Prediger und Lehrer, die ernannt waren. Dieſe lehrten
dieſelben Lehren und ertheilten dieſelben Verordnungen, wie die Prediger
der urſprünglichen Kirche. Sie lehrten das Volk an Gott glauben und
an ſeinen Sohn, unſern Herrn Jeſus Chriſtus; ſie lehrten den Men—
ſchen, ihre Sünden bereuen, das Böſe meiden und im Namen Jeſu
Chriſti ſich, um Vergebung ihrer Sünden zu erlangen, taufen zu laſſen.
Alle, welche glaubten und ſich bekehrten, wurden getauft durch Eintau—
chung, und alsdann empfingen ſie, durch die Auflegung der Hände, die
Gabe des Heiligen Geiſtes. Die Gaben und die Segnungen, welche
vormals in der Kirche beſtanden, wurden wieder erneut; dem einen ward
durch den Geiſt das Wort der Weisheit gegeben, dem andern durch den—
ſelben Geiſt das Wort der Erkenntniß, einem andern die Gabe der Hei—
lung, einem andern der Glaube, einem andern die Gabe Wunder zu
thun, einem andern Weiſſagung, einem andern Geiſter zu unterſcheiden,
einem andern mancherlei Sprachen, einem andern die Sprachen auszu—
legen. 1. Corinth. 12, 8 — 10. Die Engel walteten wieder, und die—
ſelben Gewißheiten, Wahrheiten und Erkenntniſſe, welche vormals die
Herzen der alten Heiligen tröſteten und erfreuten, lebten wieder in den
Herzen der Heiligen; das Zeugniß wurde gegeben, und Viele glaubten an
die Lehren, welche von den Predigern der Kirche gelehrt wurden, gehorch—
ten dem Wort und ließen ſich taufen.
Bald nach der Organiſation der Kirche, wurden eine gewiſſe Anzahl
„Aelteſter“ erwählt und beſtellt, um ein Ganzes (Rath) zu bilden,
der aus ſiebenzig Perſonen beſtünde, nach dem alten Muſter. Luc. 5, J.
Dieſe begaben ſich nach verſchiedenen Oertern in den Vereinigten Staa—
ten, predigten das Evangelium, und Tauſende glaubten den Lehren und
Grundſätzen, die ſie lehrten. Nach dieſer Zeit, wie das Wort Gottes
wuchs und ſich vermehrte, wurde ein zweiter Rath von Siebenzigern
erwählt; es giebt deren jetzt drei und dreißig, deren Pflicht es iſt, das
Evangelium allen Nationen, Stämmen und Völkern in jeder Sprache
zu predigen, unter Leitung der Zwölfe. Die obenerwähnten „Aelteſten“
ud: —
haben in allen Theilen der Vereinigten Staaten, in Canada und in ver—
ſchiedenen Provinzen Englands gepredigt, und Tauſende haben ſich mit
dieſer Kirche vereinigt. Dieſes Evangelium hat ſich in verſchiedenen
Theilen der Erde verbreitet. Es giebt viele Gemeinden auf den Inſeln
des ſtillen Oceans, in Auſtralien und in Oſtindien.
Im Jahre 1837 kamen einige „Aelteſte““ der Kirche nach England,
und zwei oder drei Jahre ſpäter folgten ihnen verſchiedene andere. Seit
der Zeit haben ſich etwa Fünfzig Tauſend Perſonen der Kirche ange—
ſchloſſen, von denen eirea Fünfzehn Tauſend nach den Vereinigten Staa—
ten ausgewandert ſind. Faſt in allen Provinzen Englands giebt es
„Aelteſte,“ in Schottland, im Lande Wallis, und einige in Irland.
Dieſe Aelteſten ſind gewöhnlich Männer, welche von ihrem eigenen Volke
bevollmächtigt worden ſind. Denn, nachdem dieſelben ſich die Wiſſenſchaft
der ihnen gelehrten Grundſätze zu eigen gemacht haben, find fie fähig
geworden, Andere zu unterrichten. Manche der Aelteſten, die zuerſt in
England angekommen ſind, leben gegenwätig unter anderen Nationen.
Zur ſelben Zeit, wo ich mich nach Frankreich begab, reiſten verſchiedene
andere Aelteſte nach Italien, nach Schweden und nach Dänemark, und
überall ſind Kirchen organiſirt worden. Wir erwarten bald aufgefordert
zu werden, alle Theile der Welt zu beſuchen. Zu der Zeitperiode, wo wir
den Great Salt Lake verließen, hatte man die Abſicht, die Aelteſten der
Kirche nach Süd-Amerika, nach China und den Inſeln der Südſee zu
ſchicken, die bisher noch nicht von uns beſucht worden ſind. Unſer Zweck
iſt es, dieſes Evangelium in allen Theilen der bewohnbaren Welt zu
verbreiten, ſo wie uns befohlen worden.
Seit Errichtung der Kirche haben wir viele Verfolgungen erlitten, und
meiſtens von Leuten, die zu einer ausſchließlichen Religionsſecte gehör—
ten, denn die Offenbarungen Gottes in dieſem Zeitalter, wie es denn
auch zu allen Zeiten der Fall geweſen iſt, können nicht anders als den
Anſichten der Menſchen, ihren Glaubensbekenntniſſen, ihren Meinungen
und überhaupt den Religionen und Verderbtheiten der Menſchen ent—
gegen ſein. Und während nun gute und aufrichtige Leute von der
Wahrheit überzeugt werden, verſuchen die Schlimmen die Macht der
Verfolgung, da ſie die Grundſätze weder durch die Heilige Schrift
noch Vernunftgründe widerlegen können. So war es mit allen alten
Propheten. Unſer Herr Jeſus Chriſtus wurde gekreuzigt, ſeine
Apoſtel wurden verfolgt und getödtet, weil ſie Lehren predigten, welche
mit den Vorurtheilen, Glaubensſecten und Verderbtheiten der Menſchen
nicht übereinſtimmten. Es ſteht geſchrieben: „der Gerechte wird viele
Verfolgungen erleiden.“ Aber jemehr die Menſchen uns verfolgt haben,
und uns zu unterdrücken ſuchten, um deſto mehr hat das Wort Gottes
zugenommen und ſich vervielfältiget, und deſto mehr haben ſich unſere
Umſtände verbeſſert.
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Bald nach der Organiſation der Kirche, vereinigten fich mehr als tau=
ſend Perſonen mit der Kirche zu Geauga, eine Grafſchaft im Staate
Ohio, und binnen Kurzem bildete ſich daſelbſt eine große Kolonie. An—
dere Niederlaſſungen wurden geſtiftet im Staat Missouri, in der Provinz
Jackson und Clay; aber durch den Einfluß einer vereinigten Verfolgung
wurden wir gezwungen, dieſe Plätze, mit Aufopferung eines großen Theils
unſerer Güter, zu verlaſſen. Die Heiligen haben Schmach und Schmä—
hungen jeglicher Art erlitten. Unſere Verfolger verbreiteten über uns
die niedrigſten Verläumdungen, um ihre Handlungen der Finſterniß zu
verbergen, und um Thaten zu rechtfertigen, die Gefängnißſtrafe oder den
Tod verdienten, wenn ſie nach ihren Werken empfangen hätten. Nach
dieſem hatten wir unſere Anſiedelungen in der Provinz Caldwell und
Davies im Missouri, wo wir Niederlaſſungen errichtet hatten, die viel
bedeutender waren, wie diejenigen, die man uns zu verlaſſen genöthigt
hatte. Wir gründeten daſelbſt eine Stadt, die wir Far-West nannten,
aber der Geiſt der Verfolgung erhob ſich wieder gegen uns und Religions-
Lehrer vereinigten ſich mit Leuten ohne Grundſätze, denen es nach unſerm
Eigenthum lüſtete, um uns aus den Staaten zu vertreiben. Die aller-
empörendſten Scenen fanden ſtatt. Man verbreitete die allerabſcheulichſten
Lügen in allen Theilen der Vereinigten Staaten über uns, bis zu einem
ſolchen Grade, daß, um einen Ruheort zu finden, wir abermals genöthigt
waren, die Staaten und unſer Eigenthum zu verlaſſen. Von da begaben
wir uns nach IIlinois, wo wir eine Zeitlang von der Regierung beſchützt
wurden. Daſelbſt erbauten wir in wenigen Jahren die Stadt Nauvoo,
welche mehr als zehn Tauſend Einwohner zählte. Wir erhielten einen
Charter (Patentbrief) für unſere Stadt, und wir hatten unſere eigene
Obrigkeit und Gerichtsbarkeit. Der Tempel, welchen wir da errichtet
haben, war das herrlichſte Gebäude in dem Staate. Der größte Theil
des Landes von 10 bis 12 Meilen in der Breite und 30 Meilen in der
Länge gehörte uns und wir hatten drei ſchöne Meierhöfe daſelbſt. Wir
hatten Fabriken angelegt, und Anſtalten gemacht, denſelben die größte
Ausdehnung zu geben, als die Verfolgung von Menſchen aus derſelben
Klaſſe ſich wieder gegen uns erhob, indem ſie ſich ungefähr derſelben
Mittel wider uns bedienten wie vormals. Unſere Feinde konnten indeſſen
nicht viel gegen uns ausrichten, da wir ſchon allgemeiner bekannt waren;
doch hernach organiſirten ſich dieſe auf eine regelmäßige Art, und bildeten
eine Partei, die ſich Anti- Mormons nannten. Sie hatten ihre Preſſen,
um öffentliche Bekanntmachungen herauszugeben, ſie hielten regelmäßige
Verſammlungen, um die Provinz gegen uns aufzureizen, ſie erfanden
alle Arten falſcher Anklagen, welche uns allen möglichen beleidigenden
Handlungen ausſetzten.
Durch alle Mittel, die ihnen zu Gebot ſtanden, reizten ſie uns. Wäh—
rend einer dieſer Aufregungen waren Joſeph Smith und ſein Bruder
12 =
Hyrum Smith der Gegenſtand einer Anklage, welche von Leuten ohne
Grundſätze gegen ſie geführt wurde, allein jene weigerten ſich, den Vor—
ladungen, die man ihnen geſchickt hatte, Folge zu leiſten, und ſich in die
Hände dieſer Menſchen zu geben, es ſei denn, daß ſie von einer bewaff—
neten Macht begleitet wären, um ſie zu beſchützen. Darauf begaben ſie
ſich nach Carthago, wo man ſie ins Gefängniß warf. Ins Gefängniß
daſelbſt drang eine bewaffnete Mörderbande verkleidet, und die Geſichter
wie Indianer bemalt, und tödteten beide Brüder Smith. Und die
Miliz, welche zu den Truppen des Gouverneurs gehörte, welcher ver—
ſprochen hatte, ſie zu beſchützen, halfen dieſen Böſewichtern in der Aus—
führung ihrer teufliſchen Handlung.
Wir hatten zu der Zeit eine bewaffnete Armee von fünftauſend Mann:
dieſes war die ſogenannte Nauvoo-Legion, welche den Geſetzen des
Staats gemäß organiſirt war, mit Offizieren, die von der Regierung
ernannt waren; dieſe hätten leicht unſere Feinde vertilgen können, die
weniger zahlreich als wir waren, aber wir wollten keines Menſchen Leben
nehmen, und da wir wußten, daß eine ſolche Handlung viel Blut koſten
würde, zogen wir vor, uns ruhig zu verhalten, die Sache Gott und die
Beſtrafung der Uebelthäter dem Geſetze zu überlaſſen.
Nach einigen Unterſuchungen, die nur der Form wegen ſtattfanden,
wurden die Angeklagten freigeſprochen, denn obgleich die Geſetze gut waren,
hatte doch die ausübende Obrigkeit nicht Kraft genug, dieſelben zu voll—
ziehen. Aufrührer, Brandſtifter und Mörder konnten alſo in dieſem
Lande ungeſtraft ihr Weſen treiben. Joſeph Smith war durch den
ungezügelten Neid, durch Bosheit, religibſe Schwärmerei und Verfolgung
ſeiner Feinde ungefähr vierzig Mal vor die Gerichtshöfe des Landes ge—
zogen worden, ohne daß jemals eine einzige Anklage gegen ihn behauptet
werden konnte. Seine Feinde, die dieſes wohl wußten und auch laut
erklärten, daß es kein Mittel gäbe, ihn nach den Geſetzen zu verdammen,
nahmen daher ihre Zuflucht zu Gewaltthaten und Mord, wie ſo eben
berichtet worden. Unter ſolchen Umſtänden und von beſtändigen Unruhen
bedroht, hielten wir es wiederum für das Beſte den Staat zu verlaſſen.
Und fo thaten wir, opferten unſer Eigenthum und Güter und ließen für
Millionen Dollars an Werth hinter uns zurück, denn in der Stadt und
deren Umgebungen belief ſich unſere Anzahl mehr als auf dreißig Tauſend.
Seit dieſer Zeit ſind wir ausgewandert in das Thal des großen Salz—
Sees (Valley of the Great Salt Lake), wo wir jetzt unſere Nieder—
laſſungen haben. Der Herr war mit uns und fein Segen hat uns be—
gleitet, obgleich beraubt und ausgeplündert, waren wir dennoch ſchon nach
einigen Jahren, als alleinſtehendes Volk betrachtet, in viel beſſern Um—
ſtänden, denn je zuvor. Wir bewohnen einen Erdſtrich, welcher eine
ausgezeichnet herrliche Lage hat, denn der Boden iſt ergiebig, und unſer
Gebiet von großem Umfange. Es iſt der geſündeſte Ort von allen, die
NE
wir jemals bewohnt haben. Das Waſſer daſelbſt iſt klar und friſch, und
wir haben Holz zur Genüge. Vieh-Heerden im Ueberfluß und Alles, was
zum Lebensunterhalt nothwendig iſt. Wir haben ſchon eine Stadt erbaut,
welche drei Meilen lang, und zwei Engliſche Meilen breit iſt, ſo wie
mehrere andere kleine Städte, Dörfer und Niederlaſſungen in verſchiedener
Entfernung von einander, die ſich ſechshundert Meilen ſüdwärts erſtrecken.
Wir haben niemals Schwierigkeiten mit der Regierung der Nation
gehabt, da wir immer die Geſetze und Verfaſſung der Vereinigten Staaten
unterſtützt haben. Die Regierung iſt auch über unſere Verfolgungen
wohl unterrichtet, und wir haben erſt neuerlich vom Congreſſe eine Terri—
torial-Conceſſion erlangt, welche uns das Recht ertheilt, unſere eigenen
Geſetzgeber und Obrigkeit zu wählen und unſere eigenen Geſetze zu machen.
Wir ſind Tauſend Engliſche Meilen von unſern Verfolgern entfernt, und
jeder Schritt, welchen unſere Feinde gethan haben, um uns Schaden
zuzufügen, hat nur dazu beigetragen, unſer eigenes Glück zu vermehren.
Wenn die Wege, welche wir geführt wurden, voller Schwierigkeiten waren,
ſo hat das zu unſerer Belehrung und unſerem Beſten gedient, und wenn
wir verfolgt wurden, ſind wir wieder erlöſt worden von unſern Verfol—
gern. Der Segen Gottes iſt mit uns geweſen, und ſeine Hand hat uns
geleitet. Wir erfreuen uns in dem Allerheiligen von Iſrael und wir
geben Gott Preis und Ehre.
Einige haben mich gefragt, ob wir Güter und Eigenthum in Gemein—
ſchaft hätten? Nein! — Ein jeder bebaut ſein eignes Stück Land, ſorgt
für ſeine eigene Familie und häuslichen Angelegenheiten, und verwaltet
ſein ganzes Eigenthum. Indeſſen, es ſind Biſchöfe ernannt und erwählt,
deren Pflicht es iſt, über das zeitliche Wohl der Heiligen zu wachen, und
denjenigen mit ihrem Rath beizuſtehen, welche ihre Angelegenheiten nicht
auf die beſte und vortheilhafteſte Art einzurichten wiſſen. Und in Zeiten
der Noth und Verfolgung haben wir immer einer dem andern mit dem
letzten Pfennig beigeſtanden, allein das geſchah immer freiwillig und in
Folge der brüderlichen Liebe gegen einander und zum Beſten des Gemein—
Weſens, ohne daß Jemand vom Geſetze dazu gezwungen wurde.
Ueberall wo wir Niederlaſſungen angelegt haben, hat ein Jeder immer
die Verwaltung und Verfügung über ſein Eigenthum gehabt, und iſt in
jeder Hinſicht ſein eigner freier Herr geweſen. Unſer Grundſatz iſt: Frei—
heit für alle Menſchen jedes Glaubens, Farbe und Klima's. Wir lehren
den Menſchen gute Grundſätze; wenn ſie dieſelben annehmen, Gut! Wenn
ſie ſie nicht annehmen und befolgen, ſo iſt es ihre Schuld und ihr Unglück,
nicht das unſerige. Wenn ſie unter uns leben, werden ſie beſchützt, und
keinem Menſchen iſt es erlaubt, ihre religiöſen Geſetze anzutaſten. Als
Bürger indeſſen, ſind ſie verpflichtet, die Geſetze des Landes zu beobachten.
Ich gebe hier jetzt eine kurze Auseinanderſetzung der Lehren, welche uns
offenbart worden ſind, die wir glauben und lehren. Wir glauben an
Gott den Vater, und an jenen Sohn unſern Herrn und Heiland Jeſus
Chriſtus, und an den Heiligen Geiſt; wir glauben an die Verſöhnung
durch unſern Herrn und Heiland; wir glauben an die Heiligen Schriften
des alten und neuen Teſtaments, an das Buch Mormon und an die
Lehren, welche uns in dieſen Büchern gegeben werden.
Wir glauben, daß Gott jetzt zu dieſer Zeit den Menſchenkindern ſeinen
Willen offenbart, eben ſo wie er es in jedem anderen Zeitalter gethan
hat, und daß es unſere Pflicht iſt, ſeinen Willen zu thun und ſeine
Gebote zu halten. Aber wir glauben nicht, daß Gott jemals irgend eine
Offenbarung gegeben hat, oder geben wird, die mit einer früher gegebenen
nicht übereinſtimmte, oder im Widerſpruch wäre. Alle Offenbarungen,
die er giebt, oder geben wird, ſind nur für die Leitung und Belehrung
ſeines Volkes für Zeit und Ewigkeit. Wir glauben, daß die Kirche, welche
von unſerm Herrn Jeſus Chriſtus und ſeinen Apoſteln geſtiftet wurde,
in ihrer Einrichtung lauter und rein war, und daß jede Abweichung von
ihren Grundſätzen ein Unrecht iſt. Denn Paulus ſagt: Aber ſo auch
Wir, oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen,
anders, denn das wir euch geprediget haben, der ſei verflucht. Wir
glauben folglich, daß alle Leute die Lehren geben, Befehle ertheilen oder
Grundſätze ausbreiten, welche nicht mit denen der Apoſtel übereinſtimmen,
ſich der ſchwerſten Verantwortlichkeit ausſetzen.
Wir glauben, daß es in der gegenwärtigen Zeit ebenſo nothwendig iſt,
Apoſtel, Propheten, Evangeliſten, Paſtoren und Lehrer zu haben, wie
damals, nach der Lehre der Apoſtel. St. Paulus ſagt: „Und er hat
Etliche zu Apoſteln geſetzt, Etliche aber zu Propheten, Etliche zu Evan—
geliſten, Etliche zu Hirten und Lehrern, daß die Heiligen zugerichtet wer—
den zum Werk des Amts, dadurch der Leib Chriſti erbauet werde; bis
daß wir alle hinan kommen zu einerlei Glauben und Erkenntniß des
Sohnes Gottes, und ein vollkommener Menſch werden, der da ſei in dem
Maaße des vollkommenen Alters Chriſti; auf daß wir nicht mehr Kinder
ſein und uns wägen und wiegen laſſen von jedem Wind der Lehre durch
Schalkheit der Menſchen und Täuſcherei, damit ſie uns erſchleichen,
um uns zu verführen. Laſſet uns aber rechtſchaffen ſein in der Liebe,
und wachſen in allen Stücken an dem, der das Haupt iſt, Chriſtus.“
Epheſ. 4, 11—15. Wir glauben daher, daß weil dieſe Befehle gegeben
worden ſind, „um die Heiligen zur Vollkommenheit zu bringen und um
ſie zum Werk des Amtes zu bereiten, damit der Leib Chriſti erbauet
werde,“ daraus ſchließen zu müſſen, daß dieſelben Aemter, dieſelbe Ein—
richtung, dieſelbe Weisheit und dieſelben Kenntniſſe, derſelbe Geiſt und
dieſelbe göttliche Eingebung auch jetzt ebenſo nothwendig ſind, wie zu jener
Zeit, oder zu irgend einer andern Zeit.
Die Urſache, weshalb jetzt ſo viel Zwietracht und Uneinigkeit in der
chriſtlichen Kirche ſtattfindet, iſt, daß die Menſchen die Ordnung und Ein-
s
richtung, welche Gott in der Kirche eingeſetzt hat, verändert, und ihre
eignen Grundſätze eingeführt haben, welche Gott nie befohlen hat, noch
anerkennen wird. S. 1. Cor. 1, 12.
Wir glauben und wir lehren den Glauben an unſern Herrn Jeſus
Chriſtus, Reue vor Gott, an die Taufe der Erwachſenen durch Unter—
tauchung in's Waſſer für die Vergebung der Sünden; an das Auflegen
der Hände durch diejenigen, welche Gott berufen hat, die rechtmäßig beſtellt
ſind, und die Vollmacht dazu haben durch die Gabe des Heiligen Geiſtes.
Wir glauben, daß wenn die Menſchen die Gabe des Heiligen Geiſtes
empfangen, derſelbe auf eine gleiche Weiſe auf ſie einwirkt, wie er es zu
früheren Zeiten gethan hat, denn Gott hat ſich nicht verändert und ſein
Wort iſt nicht anders geworden, und ſein Geiſt iſt nicht anders, und
ſeine Segnungen ſind jetzt im Bereiche aller Menſchen, denn Gott hat ſie
auf's Neue dem Menſchengeſchlechte wieder gegeben. S. Ev. Marc. 16,
15 — 18. Die Apoſtel ſagten daſſelbe, da fie anfingen zu predigen, was
unſer Herr ihnen geboten hatte; denn als Petrus voll des Heiligen Geiſtes,
von Chriſtus predigte, wollten diejenigen, welche ihn gehört hatten, wiſſen
was ſie thun ſollten um ſelig zu werden, und er gebot ihnen, Buße zu
thun, und ſich taufen zu laſſen im Namen Jeſu Chriſti für die Verge—
bung ihrer Sünden, und er verſprach ihnen, daß ſie den Heiligen Geiſt
empfangen ſollten. Apoſtelgeſch. 2, 37—39. Und wiederum, als Phi—
lippus mit dem Aethiopiſchen Kämmerer ſprach und dieſer an den Herrn
glaubte, da führte ihn Philipp in's Waſſer und tauchte ihn unter und
taufte ihn. Apoſtelgeſch. 8, 37. 38. Jeſus ward auch getauft von
Johannes im Jordan und er ſagte zu Nieodemus: „Wahrlich, wahr—
lich ich ſage Dir: Es ſei denn, daß Jemand geboren werde aus dem
Waſſer und Geiſt, ſo kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“
Der Auflegung der Hände für die Gabe des Heiligen Geiſtes wird auch
in der Heiligen Schrift erwähnt. Nachdem Philippus zu den Sama—
ritern geprediget, und eine große Menge unter ihnen glaubten und getauft
waren, wurden die Apoſtel geſandt um die Hände auf ſie zu legen, daß
ſie den Heiligen Geiſt empfangen ſollten. „Da aber die Apoſtel hörten zu
Jeruſalem, daß Samaria das Wort Gottes angenommen hatte, ſandten
ſie zu ihnen Petrum und Johannem, welche da ſie hinab kamen, über
ſie beteten, daß ſie den Heiligen Geiſt empfingen, denn er war noch auf
keinen gefallen, ſondern waren allein getauft im Namen Jeſu Chriſti.
Da legten ſie die Hände auf ſie und ſie empfingen den Heiligen Geiſt.
Apoſtelgeſch. 8, 14—17. und auch Apoſtelgeſch. 19, 5. 6.
Wir achten dieſe Lehren und Befehle nicht gering, und glauben nicht,
daß man ſie anſehen dürfe, als ob nur eine unbedeutende Wichtigkeit in
ihnen enthalten wäre, oder daß man dieſelben willkürlich bei Seite ſetzen
dürfe; denn wie leichtſinnig auch Menſchen dieſe Sachen behandeln, der
Apoſtel legt uns dieſes als eine Regel vor, um die Richtigkeit unſers
6
Glaubens darnach zu beurtheilen, denn es ſteht geſchrieben: „Wer über—
tritt und bleibet nicht in der Lehre Chriſti, der hat keinen Gott; wer
in der Lehre Chriſti bleibet, der hat beide, den Vater und den Sohn.“
2. Joh. 1, 9.
Wenn die eben erwähnten, nun die Lehren Chriſti ſind und die Men—
ſchen andere Lehren und Vorſchriften an deren Stelle geſetzt haben, wie
können ſie erwarten, daß der Segen und die Kraft Gottes bei ihnen ſei,
und daß ſein Geiſt ſie auf ihren Wegen begleite? f
Die Urſache, weshalb ſo viel Streit, Zwiſtigkeiten und verſchiedene
Meinungen über Religionsſachen in der Welt ſind, iſt, weil die Menſchen
von der einfachen Wahrheit des Evangeliums abgewichen ſind, weil ſie
andre Vorſchriften eingeführt haben und weil ſie nach ihrer eigenen Weis—
heit und nicht nach dem Geiſt Gottes gelehrt haben. Dieſes iſt auch
die Haupturſache, weshalb ſo viel Unglauben in der Welt gefunden wird;
denn die Menſchen ſehen ſolche Unverträglichkeiten, Unbeſtändigkeiten,
Verſchiedenheit der Meinungen und Mangel an Einigkeit, Tugend und
Geiſt Gottes, daß ſie nahe daran ſind, die Religion eine Fabel zu nennen.
Denn Diejenigen, welche ihre Bibel geleſen haben, können mit Gewiß—
heit behaupten, daß das jetzige Chriſtenthum nicht mit der Bibel überein—
ſtimmt, daß, wenn die Bibel wahr iſt, das jetzige Chriſtenthum es nicht
iſt; und iſt das jetzige Chriſtenthum wahr, dann iſt die Bibel nicht wahr.
Wir glauben, daß in Folge der Verderbtheit und Greuel aller Art,
in der moraliſchen, religiöſen und politiſchen Welt, die Bewohner der
Erde von großen Strafgerichten heimgeſucht werden, daß Völker gegen
einander in Aufruhr gerathen, Throne umgeſtürzt und Reiche zerſtört
werden ſollen, daß Waſſersfluthen, Peſt und Hungersnoth über die Erde
hinziehen werden, und daß Gottes Gericht von allen Völkern gefühlt
werden wird.
Wir glauben, daß Jeſus wieder kommen wird, um perſönlich auf
Erden zu regieren. -
Wir glauben, daß Gott der Herr ein Reich errichten, das nie zerſtört,
ſondern ewig beſtehen wird.
Wir glauben, daß die Juden in ihrem eigenen Lande wieder verſam—
melt werden ſollen, nämlich in Jeruſalem, und daß die zehn Stämme
wieder hergeſtellt werden, ſo wie die Heilige Schrift es verheißen.
Wir glauben nach der Schrift, daß der Herr ſein Volk noch einmal
verſammeln werde. „Und es ſoll geſchehen, wer den Namen des Herrn
anrufen wird, der ſoll errettet werden. Denn auf dem Berge Zion und
zu Jeruſalem wird eine Errettung ſein, wie der Herr verheißen hat; auch
bei den Uebrigen, die der Herr berufen wird.“ Joel 2, 32. Die Schrift
ſagt uns, daß wenn der Herr Zion wieder bringen wird, dann werden die
Wächter ihn „von Angeſicht zu Angeſicht““ ſehen und daß er fein Volk
führen wird „einen aus einer Stadt und zwei aus einer Familie, und
— 11 ==
ſie nach Zion führen, und er wird ihnen Hirten geben nach ſeinem Her⸗
zen, die fie mit Weisheit und Verſtand führen werden.“
Es ſteht auch geſchrieben im Jeſaias 56, 8. „Der Herr Herr, der die
Verſtoßenen aus Iſrael ſammelt, ſpricht: Ich will noch mehr zu dem
Haufen, die verſammlet ſind, ſammeln.“ — Es iſt die Austheilung der
Vollkommenheit der Zeiten, wovon Paulus redete in ſeinem Briefe an
die Epheſer 1, 10. „Daß es gepredigt würde, da die Zeit erfüllet war,
auf daß alle Dinge zuſammen unter ein Haupt verfaſſet würden in
Chriſto, beides das im Himmel und auf Erden iſt, durch ihn ſelbſt.“
Wir glauben, daß der Engel, welcher Joſeph Smith erſchienen,
derſelbe iſt, deſſen in der Offenbarung Johannis 14, 6. erwähnt wird.
„Und ich ſahe einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte
ein ewiges Evangelium, zu verkünden denen, die auf Erden ſitzen und
wohnen, und allen Heiden und Geſchlechtern und Sprachen und Völkern.“
Wir glauben, daß es in der Welt viele Menſchen von aufrichtigem
Gemüthe giebt, ſowohl unter denen, die ſich zu einer Religion bekennen,
als auch unter denen, die keine anerkennen, welche von ganzem Herzen
die Wahrheit annehmen würden, und thun was recht und gut iſt, wenn
ſie Kenntniß davon hätten, welche ſogar jetzt thun, was ſie vermögen,
obgleich ſie im Irrthum begriffen ſind, weil ſie die Wahrheit noch nicht
erkannt haben.
Wir glauben, daß alle Menſchen, weiß oder ſchwarz, Chriſten oder
Heiden, Bekenner oder Nichtbekenner nach der Erkenntniß des Lichts ge—
richtet werden, das ſie empfangen haben und daß wir alle offenbar werden
müſſen vor dem Richterſtuhl Chriſti, auf daß ein Jeglicher empfange,
nachdem er gehandelt hat, bei Leibes Leben, es ſei gut oder böſe. 2. Cor.
5, 10. Offenb. Joh. 20, 12. 13.
Wir glauben an alle Grundſätze der Aufrichtigkeit, Ehre, Unſchuld,
Redlichkeit, Tugend und Wahrheit.
Wir glauben an alles, was der Herr offenbart hat, an dasjenige, was
er uns jetzt offenbart, und ſind bereit alles zu glauben, was er uns noch
offenbaren wird. Wir ſind nicht beſchränkt in unſern Gefühlen, noch in
unſern Anſichten. Unſer Glaube umfaßt jede philoſophiſche, moraliſche
und religibſe Wahrheit, die für den Menſchen für Zeit und Ewigkeit
vortheilhaft iſt. Folglich, wo wir alſo einen Grundſatz der Wahrheit
finden, welchen wir nicht beſitzen, ob derſelbe von einer Geſellſchaft oder
einem einzelnen Mitgliede herrühre, da nehmen wir ihn mit Freuden an,
als ob derſelbe zu einem Theil unſerer Glaubens-Artikel gehöre. Wir
unſererſeits ſind gleich bereit anderen Menſchen die großen Dinge mit—
zutheilen, welche Gott uns offenbart hat. Denn wir glauben an einen
lebendigen Gott und an eine lebendige Religion. Es iſt nicht unſer Zweck,
den Menſchen die Dinge zu erzählen, von welchen andere die Vor—
theile genießen, ſondern ihnen ihre eigenen Rechte zu zeigen, und ihnen
ae
zu jagen, daß dieſelben Segnungen, welche in alten Zeiten da waren,
auch in ihrem Bereiche ſind.
Wir glauben an den Gott Abrahams, Iſaacs und Jacobs, an Maſes,
an die Propheten und Apoſtel, und daß Gott, wie er in alten Zeiten
ſeinen Dienern ſeinen Willen kund gethan hat, noch lebt, und ſeinen
Dienern ſeinen Willen offenbart in der jetzigen Zeit, ſo wie er vormals
gethan hat: ſo daß wir als Kirche, nicht von dem Zeugniß anderer ab—
hängig ſind, da wir das lebendige Zeugniß unter uns haben.
Daher kommen wir, die Menſchen, aus der Dunkelheit ins Licht zu
rufen, aus Ungewißheit, Irrthum und Verwirrung, zur Gewißheit, zum
Leben, zur Erkenntniß und zur Wahrheit; und um denſelben zu ſagen,
daß Gott lebt, daß die Engel erſchienen ſind, daß der Himmel ſich auf⸗
gethan und Gott ſich den Menſchenkindern offenbart hat, wie in alten
Zeiten, daß das ewige Evangelium wiederhergeſtellt und daß der Arme
und der Reiche, der Sanfte und Demüthige, der Prieſter und der Lehrer,
der Gläubige und der Ungläubige, der Katholik und der Proteſtant ein—
geladen ſind, an dieſen Segnungen Theil zu nehmen.
In dieſer Abſicht kamen wir aus der Gegend des Gebietes Deſeret,
eine Entfernung von Neun Tauſend Engliſchen Meilen, über Berge,
Wüſten und das weite Weltmeer, im Namen des Gottes Iſrael, wie
ſeine Diener, um die Einwohner dieſes Landes mit den Segnungen
bekannt zu machen, deren ſie theilhaftig geworden ſind, und um allen
tenfchen im Namen Jeſu Chriſti zuzurufen, Buße zu thun und ſich
taufen zu laſſen, für die Vergebung ihrer Sünden, damit ſie die Gabe
des Heiligen Geiſtes empfangen und ſelbſt zur Gewißheit der Sachen
gelangen möchten, welche Gott in Wahrheit uns kund gethan hat.
John Taylor.
Bemerkung.
Da ich den vorſtehenden Bericht nicht in zwei Abtheilungen veröffentlichen
wollte, habe ich mich genöthigt geſehen, zwei Seiten mehr hinzuzufügen, als
meine Abſicht war. Die folgenden Auflagen des Panier's werden 16 Druck⸗
ſeiten enthalten. Der Obige.
Ham burg.
Verfaßt und in Druck herausgegeben von John Taylor, Roſenſtraße No. 27,
wo Briefe und Beſtellungen, die Bezug auf dieſe Schrift haben, portofrei
empfangen werden.
— 2 —
(Preis 3 Schillinge.)
Hamburg. Gedruckt bei F. H. Neſtler und Melle.
Tions Panter
der
Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage.
Wahrheit, Kenntniß, Tugend und Glaube vereinigt.
„Liebet ihr mich, ſo haltet meine Gebote.“ Joh. 14, 15.
— —
M2. December 1. 1851. 1. Dam.
Ueber das Buch: Mormon.
In der erſten Nummer dieſer Zeitſchrift, erwähnte ich eines Buches,
welches von Joſeph Smith, unter dem Namen oder Titel des Buches
Mormon, aufgefunden und überſetzt wurde. Da dieſes ein vom deut—
ſchen Publikum nur wenig gekannter Gegenſtand iſt, ſo will ich mir
erlauben, meinen Leſern darüber einige Bemerkungen anzubieten. Die
Geſchichte der Ureinwohner von Amerika iſt in tiefes Dunkel gehüllt, und
ſelbſt in unſern Tagen von den meiſten Menſchen nur wenig gekannt.
Einige ſtellten die Vermuthung auf, die Eingebornen ſeien Abkömmlinge der
Normänner (Normannen). Es iſt allerdings möglich, daß einige der im Porz
den wohnenden Stämme ihre Herkunft von ihnen ableiten; ſchon die Orts⸗
nähe führt uns zu dieſer Vermuthung. Es findet augenſcheinlich eine
große Aehnlichkeit zwiſchen den Esquimo's Nordamerika's und den Lapp⸗
ländern Norwegens ſtatt; aber weiter ſüdlich hören dieſe Stammes—
Kennzüge auf. Der Körperbau, die Geſichtsbildung und der Charakter
der eigentlichen Indianer ſind unverkennbare Beweiſe, daß ſie zu einem
andern Völkergeſchlechte gehören. Wahrſcheinlicher iſt es, daß die Nor⸗
mannen Amerika entdeckt, und ihre Entdeckung dem Columbus mitge—
theilt haben, aber das gehört nicht hieher. Eine nicht minder verbreitete
Meinung iſt, daß dieſe Ureinwohner von Amerika, die Abkömmlinge der
10 iſraelitiſchen Stämme find, welche Jeruſalem unter der Regierung
Salmanaſſar's, Königs von Aſſyrien, verlaſſen haben. Es ſind allerdings
unter den Indianern Anzeichen genug vorhanden, welche zur Begründung
dieſer Meinung dienen könnten. Eigenthümlichkeiten, welche aus Man—
gel an einer, von ihnen ſelbſt verfaßten Geſchichte viel für dieſe Meinung
zu ſprechen ſcheinen; ihre Sprache, Tradition, ihr Gottesdienſt und alles
über fie Bekannte führt zu dieſer Idee. Boudinot ſagt, daß ihre
Sprache, beſonders in ihren Wurzeln, Mundarten und deren Satzverbin—
dungen, ganz das Gepräge des hebräiſchen Geiſtes an ſich tragen, und
was uns noch merkwürdiger und beachtenswerther dünkt, daß ſie wirk⸗
lich den größten Theil der Eigenheiten dieſer Sprache, und zwar insbe⸗
2
20
ſondere die ſie von allen übrigen Sprachen unterſcheidenden Kennzüge
deſſelben beſitzt. In Prieſt's Buche, über die amerikaniſchen Alterthü⸗
mer iſt dieſe auffallende Thatſache zu leſen: „Im Jahre 1815 fand
Joſeph Merrie, ein achtbarer Einwohner von Pittsfield in Maſſachu⸗
ſetts, der ſich angeſchickt hatte, die Erde unter und neben einem alten Block-
hauſe, in der Gegend eines Hügels, Colline indienne genannt, auf⸗
zugraben etwas, das den Anſchein eines Stückes Leder hatte, ſchwarz,
ſechs Zoll lang, 12 Zoll breit, etwa wie ein Pferdeſtrang. Nach einigem
Beſchauen ſeines Fundes, wollte er denſelben durchſchneiden, fand ihn
aber hart wie Bein. Nachdem es ihm gelungen den Gegenſtand zu
öffnen, entdeckte er, daß derſelbe aus zwei ſehr dicken Riemenſtücken ver—
fertigt, und mittelſt der Sehnen eines Thieres, wie mit Gummi, verſchloſ—
ſen und undurchdringlich war. Inwendig befanden ſich vier Stücke zu⸗
ſammen gefalteten Pergaments. Dieſe waren von dunkelbrauner Farbe,
und mit einer Art Schrift überlegt. Seine Nachbarn, welche ihn be—
ſuchten, um die Pergamente zu ſehen, zerriſſen eines derſelben in kleine
Stücke. Merrie hob die drei übriggebliebenen auf, und ſchickte ſie nach
Cambridge, wo man darüber Nachforſchungen anſtellte. Man entdeckte,
daß die Schriftzüge, deutlich und leſerlich, hebräiſche waren. Es waren
angeführte Stellen aus dem Alten Teſtamente, 5. Buch Moſe 6, 4 — 93
11, 13 — 21; 2. Buch Moſe 13, 11 — 16. Nach Anführung ähn⸗
licher Thatſachen fügt Boudinot hinzu: „Kann man dieſe kurze Erzäh—
lung indianiſcher Ueberlieferungen, von den Stämmen verſchiedener, über
Oſt und Weſt, Süd und Nord zerſtreut, und gänzlich von einander ge—
trennt lebender Nationen herrührend, und von mehreren achtbaren Schrift—
ſtellern, ſowohl als unbeſcholtenen Gelehrten, die alle Mittel, ſich über
dieſe Sache aufzuklären, in der Hand hatten, in verſchiedenen Zeitperioden
verfaßt, ohne daß dieſelben Gelegenheit zu gegenſeitigem Umgange hatten;
kann man, frage ich, einen ſolchen Bericht leſen, und annehmen, daß
alles dies nur Spiel und Werk des Zufalls; oder ein im Voraus berech—
neter, und durch die Liebe zum Wunderbaren veranlaßter Betrug ſei;
deſſen Entdeckung doch den wohlbegründeten Ruf der Berichterſtatter,
wenn nicht zerſtören, doch gefährden müßte.“
Man lieſt im Bibellexicon des Dom Calmet im Artikel über Völker—
wanderungen: „Monteſini in ſeiner Reiſebeſchreibung für Manaſſe
Ben Ifrael ſagt, daß er hinter den Cordillera-Gebirgen, welche Chili
in Amerika umgürten, viele Israeliten wohnend fand. Ferner erzählt er,
wäre er auf ſeiner Reiſe ins Innere des Landes an das Ufer eines Fluſ—
ſes gekommen, und hätte auf ein gegebenes Signal, Leute herannahen
ſehen, welche auf hebräiſch die Worte aus 4. Buch Moſe: „Höre
Iſrael! Der Herr unſer Gott iſt der einzige Herr!“ wiederholten. Sie
hielten Abraham, Iſaak und Jakob für ihre Väter, und behaupteten durch
Ruben von ihnen abzuſtammen. Sie erzählten, durch eine beſondere und
a —
wunderbare Führung Gottes in dieſes Land gekommen zu fein; daß in
Folge der Aufhetzung durch die Magier, die Indianer ſie dreimal mit
Krieg überzogen, die Iſraeliten aber immer Sieger blieben. Daß zuletzt
einige Magier dem Schlachtgetümmel entronnen, erklärten, der Gott
Iſraels ſei der wahre Gott, und in den letzten Zeiten würden die Iſrae—
liten noch Herren der Welt. Ritter Pen, in ſeinem Briefe über den
gegenwärtigen Zuſtand der engliſchen Colonieen in Amerika, iſt überzeugt,
daß deſſen Ureinwohner von den Hebräern ſtammen. Ihre Phyſiogno—
mien, beſonders diejenigen der Kinder, tragen das unverkennbare, dem
jüdiſchen ſo ähnliche Gepräge, hebräiſcher Abkunft. Ihre Augen ſind
ſchwarz und klein. Sie zählen nach Monden; opfern die Erſtlinge ihrer
Früchte; haben eine Art Laubhüttenfeſt; ihr Altar, heißt es, ſei aus
zwölf Steinen gebaut; ihre Trauer um die Todten daure ein Jahr; ihre
Frauen befolgen dieſelben Gewohnheiten, wie jene der Juden; ihre Sprache
ſei männlich, kurz, kraftvoll und gedrängt; ein Wort genüge für drei,
das Uebrige bleibe der Errathungsgabe der Hörer überlaſſen. Andere
gehen in ihren Behauptungen noch weiter, und ſagen, die Mexikaner
unterzögen ſich der Beſchneidung; es hätte in ihrem Lande Rieſen gegeben;
die Amerikaner hätten noch ureigene Vorſtellungen von der Sündfluth und
dem Zuge durch's rothe Meer; man ſchlachte in einigen Gegenden Peru's ein
weißes Lamm, deſſen Blut mit Mehl vermiſcht, man unter das Volk ver—
theile, um damit die Thürſchwellen zu beſprengen. Einige glauben an die
Wiedererſtehung der Todten; erhalten ein immerwährendes Feuer zu Ehren
ihrer Götter; feiern jedes fünfzigſte als Jubel-Jahr, und den Sabbath
jede Woche. Dieſe, und noch viele andere den Ureinwohnern Amerika's
mit den Iſraeliten gemeinſame Charakterzüge, könnten ihre Entſtehung
unmöglich dem Zufalle verdanken. Man wäre daher gezwungen anzu—
nehmen, die Iſraeliten ſeien über China, oder irgend einen andern Ort
nach Amerika vorgedrungen; aber wenn man alle dieſe Thatſachen, die
zur Grundlage ſolcher Anſichten dienen ſollen, ſichtet, ſo ergeben ſich
einige von dieſen Kennzügen als falſch, andere als zweifelhaft, und wieder
andere als zweideutig, und bemerkt man einerſeits unter den Uramerika—
nern Spuren des Judenthums, ſo finden ſich andererſeits auch welche des
Chriſtenthums, und insbeſondere des Heidenthums, und eines entſchiede—
nen und öffentlichen Götzendienſtes. Dieſer Einwand des Dom Calmet
iſt gerade eine Bekräftigung ſeiner Behauptungen. In der That und
dem Zeugniſſe des Mormon-Buches gemäß, gab es in Amerika wirklich
Iſraeliten, Chriſten und Heiden.
Das Buch Mormon ſpricht von zwei Nationen oder Völkergeſchlech—
tern, welche beide gemeinſamer, d. h. iſraelitiſcher Abſtammung waren.
Sie hießen die Nephiten und Lamaniten. Die Nephiten beobachteten das
Geſetz des Moſes, die Lamaniten wurden Götzendiener. Es berichtet
weiter, daß der Erlöſer nach ſeiner Auferſtehung den Nephiten erſchien,
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daß Viele von ihnen an das Evangelium glaubten, und das Chriftens
thum unter ihnen, ſo wie einſt in Aſien, Eingang fand.
Was Dom Calmet's Bemerkungen hinſichtlich unwahrer oder wenig—
ſtens zweifelhafter Angaben, in Bezug auf dieſe Dinge betrifft, ſo hätte
ich allerdings Luſt, meinen Leſern hierüber vollſtändige Auskunft zu ge—
ben; doch da ich ſelbſt mich unter mehreren Indianer-Stämmen aufge
halten habe, ſo kann ich nur meine Ueberzeugung von der Wahrheit
dieſer Dinge, und insbeſondere der, von Herrn Pen berichteten, an—
führen. Und ich habe um ſo mehr Grund, an die, mir nicht nur von
Schriftſtellern, wie Humboldt, ſondern auch von achtbaren Herren, die
ich auf meinen Reifen traf, verbürgte Wahrheit obiger Angaben zu glau—
ben. Herr Dykes, mein gegenwärtiger Reiſegefährte, hat von ſeiner
Kindheit an in der unmittelbaren Nähe dieſer Stämme gewohnt. Er
war Offizier in der Armee der Vereinigten Staaten, und hat in mehreren
Feldzügen gegen ſie gedient, und folglich die beſte Gelegenheit gehabt,
ſich mit ihren Sitten und Gewohnheiten vertraut zu machen. Sein
Character iſt, was Achtbarkeit und Wahrheitsliebe betrifft, über allen
Vorwurf erhaben; ſein Zeugniß lautet dahin, daß die hierin gemachten
Angaben im Allgemeinen richtig ſeien. Er behauptet, Zeuge ihrer fort—
während brennenden Feuer, von denen nur einige, in Folge der Anſiede—
lungen der Weißen, zu erlöſchen begannen, geweſen zu ſein; ihre Opfer,
Seher und Propheten, ihr Darbringen der Erſtlingsfrüchte, ihre Tänze
um das noch grüne Korn, ihre Neumondsfeſte und Reinigungs-Ceremo⸗
nien geſehen zu haben. Weiter führt er an, daß ſie eine Idee oder
mündliche Ueberlieferung von der Sündfluth beſitzen, mit dem Unter—
ſchiede, daß es eine Biſamratte nnd nicht eine Taube war, die Noah
ausſandte. Es giebt auch Traditionen unter den Menomonies, Sacs,
Foxes, Oneides, Cheppaway's, Pottawatomies und vielen andern
Stämmen, daß ſie früher ein, ihnen vom großen Geiſte gegebenes Buch
beſaßen, und ihnen daſſelbe wieder zu Theil werden wird. Sie erwarten
eine Zeit, wo Gott ſich wieder gnädig erzeigen, und ſich ihnen, wie vor—
mals ihren Vätern, offenbaren wird. In einem Geſpräche, welches ich
mit einem berühmten Indianer-Häuptling Keokuk, bei Gelegenheit einer
Anbietung des Buches Mormon, hatte, ſagte er zu mir unter Andern:
„Wir ſind jetzt ſchwach; aber wir werden noch ſtark ſein, der große
Geiſt hat uns verlaſſen; aber Er wird wiederkehren, unſere Ohren ſind
nun zu; werden ſich aber bald wieder öffnen und wir werden wieder
hören, unſere Augen ſind jetzt verſchloſſen; aber der große Geiſt wird ſie
bald aufmachen und wir werden ſehen und begreifen.“ Der nämliche
Keokuk iſt ein talentvoller Mann und großer Redner unter den India⸗
nern, und war mehrere Male auf dem amerikaniſchen Congreſſe, um die
Angelegenheiten ſeines Stammes zu vertreten.
Wir wollen hier unterlaſſen, das Gutachten von Tabari, einem be—
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rühmten arabiſchen Geſchichtſchreiber, über den uns vorgelegten Gegen⸗
ftand, fo wie die Meinungen des Athearn Jones, Verfaſſers der in⸗
dianiſchen Volksſagen aus Nordamerika, des Salvator Gily, und des
gelehrten Humboldt anzuführen. Auch halten wir es nicht für noth⸗
wendig, die Bemerkungen des M. C. S. Refinesque, oder die des
Capitains Del Rio, über die Alterthümer von Vucatan und Chiappa,
und jene von Palenque in Nordamerika beifolgen zu laſſen. Denn:
„Die Reiſevorfälle in Mittelamerika,“ ein, von den Herren Stephens und
Catherwood ſeit mehreren Jahren in England und den Vereinigten
Staaten erſchienenes Werk, enthält hierüber ſo vollſtändige Aufſchlüſſe,
daß die frühern Vermuthungen durch ſie gänzlich beſeitigt worden ſind.
Dieſen Reiſenden verdanken wir die wichtigſten Zeichnungen und Beſchrei⸗
bungen alterthümlicher Städte, unermeßlicher Ruinen von großer Sel—
tenheit, rieſenhafter Säulen und Statuen, koſtbarer Gebäude, reichlich
mit Bildhauerarbeit ausgeſtatteter Tempel, großartiger Baudenkmäler und
anderes mehr. Dieſe prächtigen und koloſſalen Ueberreſte bilden das laut
ſprechende Wahrzeichen, und den unwiderlegbaren Beweis, daß früher
auch dieſen Welttheil ein großes, gebildetes, mit den Wiſſenſchaften und
Künſten vertrautes Volk bewohnt, und einen hohen Grad des Fortſchrittes
in der Civiliſation erreicht habe. Ueber dieſen wichtigen Gegenſtand lieſ—
ſen ſich Bände ſchreiben; aber da dies nicht mehr Meinungs- oder Ver⸗
muthungsſache iſt, fo überlaſſen wir es füglich den Nachforſchungen des
Leſers. Die Herren Stephens und Catherwood kommen, nach Ber
ſchreibungen dieſer großartigen Ruinen, und nach vergeblich angeſtellten
Verſuchen, mittelſt Volksſage oder Hieroglyphenſchrift das Geheimniß
ihrer Entſtehung zu erforſchen, zu dem Ausrufe: „Wir müſſen es Andern
überlaffen, den Urſprung fo großartiger Alterthümer aufzufinden.“ Dieſer
Gegenſtand dürfte für den Forſchergeiſt der Amerikaner von höchſtem
Intereſſe ſein. Bis hieher iſt er in undurchdringliches Dunkel gehüllt,
und Jahre mühevoller Anſtrengung möchte es bedürfen, den Schleier der
Vergangenheit zu lüften. Hätte Herr Stephens das Buch Mormon
geleſen, ſo wäre ihm das ſo unerforſchbare Geheimniß aufgedeckt worden;
denn gerade dieſes Buch, obgleich Jahre lang vor ſeinen Forſchungen
verfaßt, enthält alle wiſſenswerthen Aufſchlüſſe über die beſagten Ruinen.
Neuere und noch viel auffallendere Entdeckungen von Ruinen des Alter⸗
thums, als die von den Herren Stephens und Catherwood beſchrie—
benen, hat man in ſpätern Zeiten noch an Californien's Meerbuſen gemacht.
Da dieſe in Europa noch nicht allgemein bekannt ſind, ſo wollen wir
unſern Leſern einige Einzelnheiten darüber zum Beſten geben. Man hat
in dieſen Ruinen eine Maſſe von Hieroglyphen entdeckt, die der gelehrte
Forſcher, dem wir dieſe Entdeckung verdanken, zu entziffern und zu übers
ſetzen, Hoffnung gewährt. Wenn es ihm gelingt, ſo kann man ſich im
Voraus einbilden, welches ſtaunenswerthe Ereigniß, das für die religiös
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und wiſſenſchaftlich gebildete Welt fein wird. Alle dieſe Thatſachen beweiſen
mehr als hinlänglich das frühere Daſein einer oder mehrerer, an Bildung
und Intelligenz, die gegenwärtigen Ureinwohner von Amerika, weit über—
ragenden Nationen. Aber woher kamen, woher ſtammten ſie? das ſind
Räthſel, die noch kein Schriftſteller löſte. Die, von Joſias Prieſt,
Joſeph Merrie, Oberſt James Smith und noch Andern gelieferten
Berichte und Erzählungen, laſſen wohl vermuthen, daß dieſe Völker
Abkömmlinge Iſraels ſeien, aber welches Stammes aus Iſrael? Wie
und zu welcher Zeit kamen ſie in dieſen Welttheil? Welches iſt die Ge—
ſchichte ihres Urſprungs, ihrer Fortſchritte und ihres Verfalles? Auf alle
dieſe Fragen bleiben uns die Schriftſteller die Antwort ſchuldig.
Wahr iſt's, daß es unter den Indianern ähnliche und mehr Volksſagen
giebt, über die wir uns hier verbreiten könnten. Aber wozu würde uns
das führen? Könnten wir auf dieſer Fährte zu endgültigen Entſcheidungen
gelangen? Fänden wir etwa darin einen Beweis, daß es die 10 verloren
gegangenen Stämme Iſraels find, oder auch nur ein Theil dieſer Stämme?
Wie dieſe Aufgabe löſen? Konnten uns je Geſchichtſchreiber, Alterthums—
forſcher, Theologen und die gelehrteſten Sprachkenner hierüber Aufklärung
ſchaffen? Nein! die Herren Stephens und Catherwood haben uns
allerdings von dem Vorhandenſein zahlreicher Städte, rieſenhafter Bild-
ſäulen und alterthümlicher Baudenkmäler, den traurigen Ueberreſten eines
unbekannten Volkes, unterrichtet. Dieſe alten Feſtungswerke, ungeheuren
Gebäude und prachtvollen Ruinen kündigen uns das Daſein eines oder
mehrerer, mächtiger, gebildeter, intelligenter und in den mechaniſchen Kün—
ſten und Wiſſenſchaften gewandter Völker an. Das Buch Mormon allein
giebt uns Aufſchluß über ſie. Wäre das Buch Mormon den Menſchen
auf andere Weiſe, d. h. mit Ausſchluß der Religion und ohne gött—
liche Beihülfe zugekommen, ſo wäre es überall mit Enthuſiasmus, als
eine der größten Entdeckungen des 19ten Jahrhunderts begrüßt werden.
Die Alterthumsforſcher, Philoſophen, Gelehrten, alle Schriftſteller hätten
gewetteifert, die Erſcheinung dieſes Buches in den Sonrnalen und Archiven
der Wiſſenſchaft bis über die Wolken zu erheben. Aber unter der Form
eines Religionsbuches, und als Geſchichte der Gottesthaten für ein, auf
jenem Welttheile lebendes Volk, hat es in gar manchen Gemüthern ein Gefühl
entfchiedener Abneigung hervorgerufen. Und das iſt auch nicht fo ſehr
zum Erſtaunen, denn die Welt iſt des Betruges jeder Art voll. Nur zu
oft hat man ſich leider der Religion als eines Vorwandes bedient, um
die arme Menſchheit zu bethören, betrügen, bedrücken und auszuſaugen.
Unter dem Deckmantel der Religion entbrannten Zank und Streit, Zwie—
ſpalt und grauſame Kriege. Die Ehrbaren und Tugendhaften wurden
häufig zu Schlachtopfern der Heuchler und Ränkeſchmiede, woraus ſich die
tiefe, in unſern Tagen für religiöſe Dinge ſich zeigende Verachtung, und
der ausgeſprochene Ekel vor denſelben erklären laſſen. Aber wenn gewiſſe
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Leute, die Religion als Handwerk und Waare benutzen, iſt das, frage ich,
genügender Grund, um die Wahrheiten der Religion planmäßig zu ver—
werfen? Man entkleide nur die Religion alles eitlen Gaukelſpieles, und
entäußere ſie alles lächerlichen Aberglaubens. Man ſtelle Gott dem Volke
als den Vater aller Menſchen, als gut, wohlwollend, gerecht, voller
Liebe und Barmherzigkeit dar, und ſchildere ihn nicht als ein bewußt—
loſes, grauſames, ſchreckliches und blutdürſtiges Weſen. Man lehre dem
Volke die Religion unſers Herrn Jeſu Chriſti in ihrer erhabenen Ein—
falt, in der Fülle ihrer Segnungen, ihrer Macht und Herrlichkeit kennen.
Man enthülle ihm das Chriſtenthum in ſeinen wahren Grundzügen, der
Bruderliebe, Güte, Erbarmung und Allſeitigkeit. Man zeige dem Men—
ſchen ſeine wahre Stellung und ſein Verhältniß zu Gott, als das eines
Sohnes zu ſeinem Vater, und ſein Sinn wird ſich zu Gott erheben. Wer
ſchuf das Weltall und den Menſchen? Wenn Gott ſie ſchuf, warum will
man ihm die Leitung menſchlicher Angelegenheiten abſprechen, warum ſein
Wort, ſein Geſetz, ſeine Abſichten und ſeine Welt-Regierung verkennen?
Noch eine Frage: ſoll Gott, der ſich einem Theile der Menſchheit offen—
baret hat, einem andern Theile derſelben nicht auch dieſe Gunſt haben
erweiſen können? Er, der ſich dem Volke auf dem Feſtlande Aſien's
ſichtbar zeigte, ſollte den Bewohnern Amerika's keine Spuren ſeiner Gegen—
wart auf Erden hinterlaſſen haben? Paulus, der Apoſtel ſagt: „Gott
ſchuf aus einem Blut alle Völker der Welt, und gab ihnen den Erdkreis
zur Wohnung, damit ſie Gott ſuchten, ob ſie doch ihn fühlen und finden
möchten. Und zwar iſt er nicht ferne von einem jeglichen unter uns.“
Apoſtelgeſch. 17, 26. 27. Wenn Paulus die Wahrheit ſagte, und
Amerika's Völker Gott ſuchen mußten, um Ihn zu finden; wäre es ver—
nünftig, anzunehmen, ſo viele tauſend Millionen, die doch augenſcheinlich
dieſen Continent bewohnt haben, ſeien in völliger Unwiſſenheit Gottes
verblieben; nachdem, wie wir ſagten, ihre Städte, Bildhauerarbeiten,
Baukunſt und Hieroglyphenſchrift die ſprechendſten Beweiſe liefern, daß fie
ein hochgebildetes, denkendes und aufgeklärtes Volk waren. Es iſt eben
ſo ſelbſtverſtändlich ihnen Gotteserkenntniß zuzuſchreiben, als zu glauben,
daß Europa's und Aſien's Bewohner den Herrn gekannt haben. Obgleich
das Buch Mormon ſchon fünf oder ſechs große Auflagen in engliſcher
Sprache erlebt hat, ſo giebt es auf der Welt wohl ſchwerlich ein Buch,
das mit Ausnahme der Mitglieder unſrer Kirche, von allen übrigen Men—
ſchen ſchlechter aufgenommen und weniger verſtanden wird, als dieſes
Werk. England und Amerika ſind von einer Menge Gegenſchriften über—
ſchwemmt, wovon einige ſogar in Frankreich Eingang fanden. Einer—
ſeits wurde es als das abgeſchmackteſte und lächerlichſte Geiſteserzeugniß
geſchmäht, andererſeits wieder als das geiſtvollſte Werk, das je verfaßt
wurde, angeprieſen.
Die Einen machten ihm ſeine vollſtändige Uebereinſtimmung mit der
Bibel zum Vorwurfe, die Andern fällten ein Verdammungs-Urtheil aus
dem Grunde, ſeines der Bibel gegentheiligen Inhaltes. Von Einigen
wurde es als unſittlich verdächtiget, während Andere bezeugten, daß es
Grundſätze von außerordentlicher Reinheit und Anziehungskraft für das
Herz beſitze. Man ſagte dem Buche nach, es ſei ein Roman, oder eine
neue Bibel, beſtimmt die Alte zu erſetzen. Einige Schriftſteller haben
nachgewieſen, daß dies Buch in ſeinem Inhalte, Style und ſeiner
Sprache uralt ſei, und das Gepräge des Alterthums an ſich trage; wäh—
rend Andere, alle Kennzüge einer neuen Geiſtesproduktion darin zu finden
glaubten. Man ſchrieb, es fänden ſich in demſelben keine klaren und
beſtimmten Weiſſagungen über die Zukunft, während andere Schriftſteller
ſich auf die darin enthaltenen Vorausſagungen als wahrhaft beriefen,
und von der herannahenden Erfüllung gewiſſer Thatſachen als ſelbſtver—
ſtändlich ſprachen. Inmitten dieſes Gewirres widerſprechender Meinungen
haben Hunderttauſende von Perſonen daran geglaubt, und mit Freuden
die wichtigen Wahrheiten aufgenommen, die es offenbaret. Das Buch
Mormon enthält die Geſchichte der Ureinwohner von Amerika, und
handelt von einem Volke, welches zur Zeit der Sprachenverwirrung
Babylon verließ. Dieſer Volkshaufe durchfuhr den Ocean auf acht
Schiffen, und wurde in der Folge eine mächtige Nation. Sie bewohnte
Amerika während eines Zeitraumes von ungefähr 1500 Jahren, und ging
durch ihre Sünden und Laſter zu Grunde; 600 Jahre vor Chriſti
Geburt. Ein Prophet, Namens Other, verzeichnete die Geſchichte ihres
Aufblühens, Verfalles und ihrer Vernichtung. Ein anderer Volksſchwarm,
welcher Jeruſalem 600 Jahre vor Chriſti Geburt verließ, wurde von
dem Herrn in das Feſtland von Amerika geleitet. Dieſes waren die
Abkömmlinge Joſeph's, des Sohnes Jakob's. Kurze Zeit nach ihrer
Ankunft theilten ſie ſich in zwei verſchiedene Völker, wovon das eine
den Namen der Nephiten, das andere den der Lamaniten trug.
Die Lamaniten, außerordentlich ſchlecht und verderbt, verfielen anfangs
dem Fluche Gottes, und dann der Finſterniß der über ſie hereinbre—
chenden Barbarei, und ihre natürliche Farbe veränderte ſich zu einem
ſchmutzigen Roth. Die gegenwärtigen Indianer, oder Rothhäute, find
ihre elenden Ueberbleibſel. Die Nephiten waren ein gebildetes und
vom Herrn hochbegünſtigtes Volk. Sie hatten Engelerſcheinungen,
Traumgeſichte und die Gabe der Weiſſagung unter ſich, von einem Men—
ſchenalter bis zum andern. Jeſus Chriſtus zeigte ſich ihnen nach
ſeiner Auferſtehung, Ev. Joh. 10, 16, und ſie erhielten aus ſeinem Munde
die Lehre des Evangeliums, ſo wie daſſelbe auf dem aſiatiſchen Feſtlande
geprediget worden war. Dieſe Lehre war auch bei den Nephiten mit
denſelben Wundergaben, Segnungen, Offenbarungen und mit gleicher
Kraftfülle begleitet. Aber vom Aten Jahrhundert an hatten die Laſter
unter ihnen ſolche Verwüſtung angerichtet, daß ſie gänzlich verderbt und
u.)
jpäter von den Lamaniten gänzlich ausgerottet wurden. Mormon,
ein Sprößling der Nephiten, und Prophet Gottes erhielt von Ihm
den Auftrag einen Abriß ihrer nationalen Jahrbücher, die die Geſchichte
ihrer Vorfahren, ſo wie zahlreiche Weiſſagungen, und das auf dem
amerikaniſchen Feſtlande geoffenbarte Evangelium enthalten ſollte, zu
ſchreiben. Dieſe Jahrbücher wurden zufolge beſondern göttlichen Auf—
trages von Moroni, dem Sohn Mormon's auf goldene Platten ein:
gegraben, und in einem ſteinernen Behälter verwahrt. Sie blieben ver—
ſiegelt und verborgen im Schooße der Erde, vom Jahre 420 bis auf den
22. September 1827, wo Joſeph Smith, von einem Engel des Herrn
geleitet, ſie auffand. Dieſe Jahrbücher von ihm überſetzt, tragen nun
den Namen des Buches Mormon.
Nachdem wir uns bereits mehrere Male auf die Berichte verſchiedener
Reiſenden in Amerika, welche uns die Ruinen, Sitten und Gebräuche
dieſes Volkes ſchilderten, und auf ihre Vorausſetzungen, daß die gegen—
wärtig lebenden Indianer Abkömmlinge der 10 verlornen Stämme
Iſrael's ſeien, berufen haben; ſchreiten wir zum Beweiſe, daß die heilige
Schrift wirklich eines ſolchen Volkes und Landes erwähnt; deſſelben
Volkes, worüber das Buch Mormon handelt, ſelbes nicht als die ver—
lornen Stämme wie die Schriftſteller, ſondern als Sprößlinge Joſeph's,
des Sohnes Jakob, anführend. Und die heilige Schrift macht nicht nur
Erwähnung dieſes Volkes, ſondern fügt hinzu, daß es Jahrbücher haben
ſoll, daß dieſe Jahrbücher einſt der Bibel zum Anhange dienen ſollen, um
ihr Zeugniß zu bekräftigen, und daß ſie den Menſchen in den letzten
Tagen zu Händen kommen würden, zur Erfüllung der Abſichten Gottes.
Wir wollen mit dem prophetiſchen Segen beginnen, den Jakob vor
ſeinem Tode den zwei Söhnen Joſeph's, Ephraim und Manaſſe,
gab, 1. B. Moſ. 48. Unter andern Dingen ſagt Jakob: „Laßt ſie werden
ein großes Volk inmitten der Erde.“ 16ter Vers. Im nämlichen Segens—
ſpruche ſagt er zum Ephraim: „Und ſeine Nachkommenſchaft wird in
einer Menge Nationen beſtehen.“ 19ter Vers. Vielleicht frägt man ſich
hier nicht umſonſt: Wer waren Ephraim und Manaſſe? Die Ant—
wort lautet: „Die Söhne Joſeph's.“ Nun was finden wir, wenn
wir dieſe zwei Stellen derſelben Weiſſagung vergleichen? Daß die Nach—
kommenſchaft Joſeph's zu einer großen Nation ſich ausdehnen wird, in
Mitte der Erde. Hat ſich dies je in Paläſtina oder Canaan bewahr—
heitet? Nein. Joſeph's Nachkommenſchaft iſt auf dem aſiatiſchen Feſt—
lande nie zu einer Nation geworden. Es gab nie mehr als zwei iſraeli—
tiſche Nationen im Lande Canaan; eine davon war Juda, und die
andere die 10 Stämme, deren in der heiligen Schrift unter dem Namen
Iſrael und Juda Erwähnung geſchieht.
Ephraim und Manaſſe waren zwei Stämme und bildeten einen
Beſtandtheil der iſraelitiſchen Nation; waren aber nie eine eigne und für
— 28 —
ſich beſtehende Nation. Doch die heilige Schrift ſagt ausdrücklich, daß
aus ihnen ſollten hervorgehen eine Menge Nationen. Nun giebt es nir—
gends in der alten Welt, weder in Europa, noch in Aſien oder Afrika
dergleichen; nur in Amerika findet man eine Menge Völker, die nach dem
Urtheile zahlreicher Schriftſteller, jüdiſcher Abkunft ſind. Bemerken wir,
daß dieſe Nationen mitten auf der Erde wohnen ſollten. Um einen geo—
graphiſchen Ausdruck zu gebrauchen, iſt kein Theil der Erde mehr in der
Mitte unſeres Planeten, als ein anderer; aber der Ausdruck, mitten, muß
doch ſeine Bedeutung haben. Europa, Aſien und Afrika waren zu dieſer
Zeit alle bekannt; nur Amerika war noch unbekannt, Amerika, wo ſich
in unſern Tagen wirklich eine Menge Nationen im Mittelpunkte der be—
kannten Erde befinden, indem die Entfernung von Europa nach Amerika,
und von Aſien nach Amerika beinahe die gleiche iſt. Ferner ſagt Jakob,
die zwölf Stämme Iſrael's ſegnend, 1. B. Moſ. 49, 22. Joſeph iſt ein
fruchtbarer Aſt, ein fruchttragender Baum neben einer Quelle, deſſen
Zweige die Mauer überragen, oder ihre natürlichen Grenzen überſtiegen
haben. Indem er über die Ausdehnung und Vergrößerung dieſes Stam—
mes weiſſagt, fügt er im 26ſten Vers hinzu: „Die Segnungen, welche euch
euer Vater ertheilt, erſtrecken ſich weiter als jene, die er von ſeinen Vätern
erhielt, ja bis zu den äußerſten Enden der ewigen Hügel; dieſe Segens—
Sprüche ſollen fallen auf das Haupt Joſeph's, auf das Haupt desje—
nigen, der von ſeinen Brüdern getrennt war.“ Wer waren Jakob's
Väter? Die Antwort lautet, Iſaak und Abra ham. Welches war das
ihnen geſchenkte Land? Canaan und kein anderes. Aber Joſeph ſollte
ein größeres Erbe erhalten, das er im Lande Canagan nicht beanſpruchen
und ihm dort auch nicht zu Theil werden konnte; denn der Stamm Jo—
ſeph's beſaß nur den ſechsten Theil des Landes Canaan, hat aber dies
ſein Erbtheil in Amerika in Beſitz genommen. Nebenher wollen wir be—
merken, daß dieſe Beſitzungen ſich bis zum Saume der ewigen Hügel aus—
dehnen ſollten. Nun ſtelle ſich jemand an den Ort, wo dieſe Prophe—
zeiung ausgeſprochen wurde, und beſchaue ſorgfältig eine Weltkarte oder
Globus, und er wird finden, daß Amerika die Erde, und zwar das ein—
zige bewohnbare Erdreich der Gegenfüßler dieſes Ortes iſt. Hiemit iſt uns
vollſtändige Aufklärung über zwei Dinge gewährt, die auf keinem andern
Wege erklärt werden können; das eine iſt, daß Joſeph der Stamm—
Vater eines großen Volkes in Mitte der Erde werden ſollte; das andere,
daß ſie ein größeres Land beſitzen ſollten, als das, dem Abraham
gegebene. Weder das Eine noch das Andere iſt an irgend einem Orte
in Erfüllung gegangen; in Amerika war dies mit beiden Verheißungen
der Fall. Wir leſen im 4. B. Moſ. 25, 13, daß Moſes als er die zwölf
Stämme Iſrael's ſegnete, in Bezug auf Joſeph dieſe Worte ſprach:
„Sein Land ſei geſegnet vom Ewigen mit den auserleſenſten Gaben des
Himmels, des Thaues und der Tiefe, und mit den köſtlichſten Dingen,
Ze
die die Sonne hervorbringt, und was es Herrliches unter dem Monde
giebt, mit den Schätzen der alten Berge, und den koſtbarſten Erzeugniſſen
der ewigen Hügel, mit den köſtlichſten Früchten der Erde und ihrem Ueber—
fluſſe. Die Gnade des, der im Dorn-Buſche erſchien, komme auf das
Haupt Joſeph's, und auf den Scheitel deſſen, der getrennt war von
ſeinen Brüdern.“ Hier iſt ein von der heiligen Schrift beſonders bezeich—
netes, an jeder Art von Natur-Produkten geſegnetes, an Mineralien und
Fiſchen reiches, alle Lebensbedürfniſſe im Ueberfluß erzeugendes Land.
Nun würde aber eine ſolche Beſchreibung keineswegs auf den, von den
Stämmen Ephraim und Manaſſe im Lande Canaan bewohnten Ge—
bietsantheil paſſen. In Amerika aber findet man ein großes Feſtland,
welches ſich vom Süd- bis zum Nordpol erſtreckt, jede mögliche Abwechs—
lung von Land- und Himmelsſtrichen umfaßt; den Menſchen alle, zu
ihrem Unterhalte nöthigen Lebensbedürfniſſe, oder zum Luxus gehörigen
Erzeugniſſe verſchafft. Von äußerſt fiſchreichen Meeren beſpült, hat dieſer
Welttheil Ueberfluß an unermeßlichen Flüſſen und von Fiſchen aller Art
wimmelnden Strömen; ſeine Gebirge bergen einen unerſchöpflichen Me—
tallreichthum, die koſtbarſten Erzeugniſſe der ewigen Hügel.
Bis jetzt haben Mexiko und Peru beinahe der ganzen Welt nur die
köſtlichſten Metalle geliefert, und in unſern Tagen enthüllen uns die
Gruben Californien's ihre goldnen Schätze. Das iſt nun ein Land, wel—
ches vollkommen der Beſchreibung des, dem Joſeph verſprochenen gleicht.
Hoſeas in ſeiner Prophezeiung über Ephraim ſagt: „Bei der Donner—
ſtimme des Herrn werden die Kinder Ephraim's, welche im Weſten
wohnen, erzittern.“ An einer andern Stelle ſagt die heilige Schrift über
die letzten Tage folgendes. Der Herr wird brüllen wie ein Löwe aus Zion,
und ſeine Stimme mächtig ertönen laſſen aus Jeruſalem. Stellt euch einmal in
Jeruſalem, mit dem Geſichte nach Weſten gekehrt, und ſeht, ob ihr nicht ſo
unfehlbar nach Amerika kommen werdet. Die Frage iſt nun, wer war
Ephraim? Der Sohn Joſeph's. Wem wurde die Verheißung dieſes Lan—
des zugeſichert? Die Antwort lautet: Dem Stamme Joſeph's. Indem wir
das Vorliegende auseinanderſetzen, finden wir in der heiligen Schrift den
klaren Beweis, daß Jo ſeph's Stamm, ein am äußerſten Saume der
ewigen Hügel gelegenes, im Weſten von Jeruſalem, mit Früchten und
koſtbaren Metallen bis zum Ueberfluſſe geſegnetes Land zum Erbtheil
erhalten, und dort zu einer großen Nation werden ſollte. Nun wiſſen
wir, daß die Völker und Naturerzeugniſſe Amerika's, genau dieſer Be—
ſchreibung entſprechen, und daß ſolche Nationen in keinem andern Welt—
theile anzutreffen ſind. Noch mehr, wir treffen, nach dem Zeugniſſe
mehrerer Schriftſteller, denen dies Buch unbekannt war, dort Völker an,
die nichts anders als die Abkömmlinge Iſraels find. Zu allen dieſen
vorgängigen Beweiſen liefert uns das, von einem jungen und nichts weni—
ger als gelehrten Bewohner der Einöden Amerika's geſchriebene oder viel—
Sa
mehr überſetzte Buch Mormon, welches die Gefchichte dieſes Volkes, und
die Beſchreibungen einer von den Reiſenden entdeckten Städte enthält,
den größten. — Nun wollen wir die Frage, die den Gegenſtand unſeres
Intereſſes bildet, von einer andern Seite betrachten, und nachweiſen, daß
Joſeph's Stamm, Gottes Wort beſitzen mußte. Wir halten es für be⸗
reits erwieſen, daß das ihnen verheiſſene Land auf dem amerikaniſchen
Continente war. Dieſes iſt nun ihre Heimath. Was wir ergründen
wollen iſt, ob ſie das Wort Gottes hatten. Hier kommt uns der Pro⸗
phet Hoſeas mit ſeinem Zeugniſſe zu Hülfe; von Ephraim redend ge—
braucht er dieſe Worte, §tes Cap. 12ter Vers: „Wenn ich ihm gleich viel
von meinem Geſetz ſchreibe, ſo wird es geachtet wie eine fremde Lehre;“
wir fragen hiebei: Wer iſt Ephraim? Die Antwort iſt: Der Sohn
Joſeph's. Dieſe Stelle bedarf keines Kommentars. Hier haben wir
eine unbeſtreitbare Autorität zu Gunſten unſerer Behauptung; es iſt aus⸗
drücklich geſagt, ich habe ihm vieles geſchrieben über mein Geſetz. Nicht
nur ſind dieſe neuen heiligen Schriften oder Jahrbücher klar angedeutet,
ſondern auch ihre Erſcheinung iſt in der Bibel förmlich vorausgeſagt; in
Bezug auf ſie ſpricht Heſekiel Cap. 37, Vers 16: „Du Menſchenkind
nimm dir eine Rolle, und ſchreibe darauf, für Juda und ſeine Gefährten
die Kinder Iſraels; und nimm noch eine Rolle für Joſeph und ſchreibe
darauf: die Rolle Ephraim's und des ganzen Hauſes Iſrael's, feiner
Gefährten; und füge eine zur andern, ſo daß es zu Einer Rolle werde an
deiner Hand. So nun die Kinder deines Volks zu dir ſagen und ſpre—
chen werden: „Willſt du uns nicht zeigen, was du damit meineſt?“
Dann ſprich zu ihnen: „So ſpricht der Herr, der von Ewigkeit iſt, ſiehe
ich will die Rolle Joſeph's, welche in Ephraim's Händen iſt, neh—
men ſammt feinen Gefährten, den Stämmen in Sfrael, und will fie zu der
Rolle Judas thun, und Eine Rolle daraus machen, und ſollen Eins
ſein )
Hier ſind nun zwei Rollen oder klar bezeichnete Jahrbücher, welche
geſchrieben werden ſollten. Eine dieſer Rollen heißt: die Rolle Joſeph's
in der Hand Ephraim's; die andere, die Rolle Juda's. Welche von
dieſen zweien enthält die Geſchichte des Stammes Juda? Offenbar die
Bibel. Iſt aber die Geſchichte des Stammes Joſeph auch darin ent—
halten? Keineswegs; denn derſelbe war in allen ſeinen nationalen Be—
ziehungen mit den zehn Stämmen Iſraels ganz beſonders verbunden.
Dieſe zehn Stämme aber wurden von Salmanaſſer, dem Könige von
Aſſyrien, gefangen hinweggeführt; ungefähr 600 Jahre vor Chriſto, und
von dieſer Zeitperiode an verſtummt die heilige Schrift über ihr ferneres
*) Jeder Geſchichtskundige weiß, daß die jüdiſchen Schriften auf Hölzern oder Rollſtöcken
aufbewahrt wurden. Daher leitet ſich die Rolle, oder der Stab Heſekiel. Es giebt
noch in unſern Tagen Originalabſchriften, der jüdiſchen Geſchichtsbücher, welche dieſe
Angabe bekräftigen.
Er
Schickſal; weder ihre Geſchichte, noch ihre Lage, ſelbſt ihr Name wird
nicht weiter darin erwähnt. Mit Juda verhält es ſich anders; das alte
Teſtament enthält ihre Jahrbücher und ihre Prophezeiungen, und giebt
uns einen Abriß ihrer Religions-Geſchichte, bis auf Chriſti Zeit. Chri—
ſtus iſt zu den Juden gekommen. Die Bibel, und beſonders ihr letzter
Theil, iſt thatſächlich die Geſchichte von Juda. Ihren Inhalt bilden
die Jahrbücher dieſes Stammes; aber nun haben wir noch die Rolle
Joſeph's! Was iſt nun dieſe Rolle oder Buch Joſeph's? Nichts
anderes als das Buch Mormon. Der Prophet Heſekiel erhielt den
Auftrag, ſie zuſammenzufaſſen, ſo daß ſie eins würden in ſeiner Hand,
ein Zeugniß, eine Lehre, ein Beweis, zu enthüllen Gottes Abſichten auf
der Erde. Wir erfahren durch die angeführte Schriftſtelle, daß dem
Stamme Joſeph's oder Ephraim's, das Wort des Herrn zu Theil wer—
den ſollte, und wiſſen, daß dieſes Wort, Geſetz- oder Jahrbücher, dem
Buche Juda's oder der Bibel einverleibt werden ſollten. Nachdem
werden wir in Kürze erforſchen, welches der Zweck der Erſcheinung dieſer
Geſchichtsbücher geweſen; oder in andern Worten, was der Wille des
Herrn bei der Entdeckung des Buches Mormon gegen die Menſchen war.
Zuvor wollen wir noch zwei oder drei andere Stellen der heiligen Schrift
anführen; im Söften Pſalm, 11 — 12ten Vers ſagt David: „daß
Barmherzigkeit und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede
ſich küſſen, daß Treue auf der Erde wachſe, und Gerechtigkeit vom Him—
mel ſchaue.“
Was iſt Wahrheit? Laſſen wir David mit unſerer Seele antworten,
er ſpricht, Pſalm 119, 142: „Dein Geſetz iſt Wahrheit,“ und Vers
151: „Alle deine Gebote ſind Wahrheit.!“ Und Jeſus ſagt: „Heilige
ſie durch die Wahrheit; dein Wort iſt Wahrheit.“
Wir treffen im Jeſaias auf eine Stelle, wo er eines Buches erwähnt,
ſagend, Cap. 29, 18: „Denn zu derſelben Zeit werden die Tauben
hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus
dem Dunkel und der Finſterniß ſehen, und die Elenden werden wieder Freude
haben am Herrn, und die Armen unter den Menſchen werden fröhlich
ſein in den Heiligen Iſraels.“ Wir wollen nicht ſagen, daß in dieſer
Stelle ein beſonders triftiger Beweis enthalten ſei; aber mit andern hier
angeführten Schriftſtellen verglichen, welche die Erſcheinung des Buches
Mormon anzudeuten ſcheinen, fällt uns doch deren ſchlagendes Zuſam—
mentreffen auf. Ein wichtiges, großartiges Werk knüpft ſich an die Erſchei—
nung dieſes Buches. Ein neuer Bund fol geſchloſſen, Iſrael wieder in
ſein eigenes Land eingeſetzt werden. Der Prophet Jeremias ſagt, in—
dem er von der einſtigen Rückkehr Iſraels und Juda's ſpricht: „Ich
werde ihnen die Fülle der Wahrheit und des Friedens offenbaren.!“ Um
auf den oben angeführten Pſalm zurückzukommen, ſo hören wir den
Ausruf David's: „Herr, du biſt gnädig geweſen der Erde, du haſt
Jakob aus feiner Gefangenſchaft befreit, deinem Volke fein Unrecht
nachgeſehen, und ihm alle ſeine Sünden vergeben.“ Dieſe Stelle bezieht
ſich auf die Epoche, wo die Wahrheit wird ausgehen von der Erde, und
deutet zugleich auf die Wiederkunft Chriſti: „wenn die Gerechtigkeit vor
ihm wird hergehen, und uns in ſeine Schritte leiten.“ Sie iſt ebenfalls
im Einklang mit der bereits angeführten Weiſſagung des Jeſaias 29,
wo man lieſt: „Dann wird Jacob nicht mehr beſchämt daſtehen, und
ſein Geſicht nicht mehr erblaſſen. Sie werden meinen Namen heiligen,
den Heiligen Jakob's in Ehren halten, und den Gott Iſraels fürch—
ten; und diejenigen, deren Geiſt verirrt war, werden zur Einſicht gelan—
gen, und die, welche ſtammelten, ſollen lernen die Wahrheit reden.“
In Heſekiels Weiſſagung, Cap. 37, wird die Wiederherſtellung des
Hauſes Iſrael, durch die Verbindung der zwei Jahrbücher oder Ge—
ſchichten, mit bewundernswerther Gewißheit vorausgeſagt. Man lieſt
daſelbſt: „Melde ihnen, alſo ſpricht der Herr: Siehe ich will die Rolle
Joſeph's nehmen, die in Ephraim's Hand iſt, ſammt ihrer Gefährten
der Stämme Iſraels, und will fie zu der Rolle Juda thun, und Eine
Rolle daraus machen, und ſollen Eins ſein in meiner Hand. Und ſollſt
die Rollen, worauf du geſchrieben haſt, in deiner Hand halten, in ihrer
Gegenwart. Und ſollſt zu ihnen ſagen: „So ſpricht der Herr, der von
Ewigkeit iſt: „Ich will die Kinder Iſraels holen von den Heiden, wo—
hin ſie gezogen ſind, und will ſie allenthalben ſammeln, und will ſie
wieder in ihr Land bringen. Und will nunmehr ein Volk aus ihnen
machen, im Lande, auf den Bergen Iſraels, und ſollen fie alle einen
König haben, und werden nicht mehr in zwei Völker, noch in zwei Kö—
nigreiche getheilt ſein.“ Aus allem Vorhergehenden ziehen wir den Schluß,
daß zur Zeit der Erſcheinung dieſes Buches, ein großes Werk auf Erden
begonnen und vollführt werden ſoll, daß der Herr die Fülle des Friedens
und der Wahrheit an den Tag bringen, neue Offenbarung erlaſſen, den
Irrthum aufklären, und das Haus Iſrael in ſein eigenes Land wieder
einſetzen, und ſich ein Volk für die zweite Erſcheinung des Meſſias
bereiten will.
Wir könnten uns weiter über dieſen Gegenſtand verbreiten, laſſen aber
gegenwärtig die Frage, mit dem Vorbehalte, ſpäter neue Beweiſe aufzu⸗
bringen, dahingeſtellt ſein. Bemerken wir, ehe wir vollenden, daß die
Lage dieſer Völker auf dem Feſtlande Amerika's, das Zeugniß zahlreicher
Schriftſteller über ihre Sitten und Gebräuche, die bibliſchen Weiſſagungen
bezüglich auf ihr Land und ihre Geſchichte, die Erſcheinung derſelben
und ihr Zweck, ſicherlich eben ſo ſtarke als vernunftgemäße und überzeu—
gende Beweiſe ſind, als irgend ein anderer Umſtand, der zu unſerer
Kenntniß gekommen iſt.
John Taylor.
ne
Eine kurze Beschreibung des grossen Salz⸗Dee⸗Thales.
Da es vielleicht für unſere Leſer von Intereſſe ſein mag, etwas von unſrer
Anſiedlung im großen Salz-See⸗Thale zu erfahren, fo entnehmen wir fol—
genden Bericht dem Briefe eines Reiſenden aus der „New- Vork Tribune.“
Selbſt das große Salz⸗See-Thal würde wahrſcheinlicher Weiſe noch
Jahre lang eine Wüſte geblieben ſein, wären die Mormonen nicht durch
Verfolgung gezwungen worden, im katholiſchen Mexiko jene Freiheit des
Gewiſſens zu ſuchen, die ihnen ihr eignes Land verweigerte. Doch war
dieſe Verfolgung, wie jene, welche die Pilger Väter zur Gründung Neu—
englands veranlaßte; durch den Lauf der Ereigniſſe beſtimmt, eine große
Wohlthat zu werden. Für ſie, die lange Zeit die Schwere des Jochs
gefühlt hatten, war die Freiheit mehr als ein bloßes Wort, und während
ſie ihren, in der Entſtehung begriffenen Staat aufbauten, war es ihre erſte
Sorge, Allen denen, welche unter ihnen wohnen würden, die vollkom—
menſte Perſonen- und Gewiſſensfreiheit zu gewähren. Und im Glauben,
daß diejenigen, welche auf der Welt geboren werden, das Recht haben, in
der Welt zu leben; geben ſie Jedermann ſo viel Erdreich, als er bebauen
kann, ihm nichts weiter auferlegend, als die Koſten der Erdmeſſung, Ein—
regiſtrirung und ſonſt, zur Verhinderung des Betruges, nöthiger Vorkeh—
rungen. Ich glaube nicht, daß Jemand, der je Zeuge ihrer brüderlichen
Eintracht, Mäßigkeit, Menſchenfreundlichkeit und Gewerbfleißes war, oder
ihre Gaſtfreundſchaft genoß, ſich wegen ihrer Religionsbegriffe, ſo ſeltſam
und widerſinnig ſie ihm auch vorkommen mögen, mit ihnen ſtreiten werde.
Ich verſichere Sie, daß es ein wahrhaft zauberiſcher Anblick iſt, nachdem
man 1200 engliſche (etwa 300 deutſche) Meilen über Wüſten und Berge
wanderte, dieſes reizende, mit der mannigfaltigſten Abwechſelung von Ge—
birgen und Seen, ausgeſtattete und ringsum mit weißen Land- und Wohn—
häuſern, Gärten und Feldern geſchmückte Thal, dieſer kühnen Landbauer,
zum Erſtenmal zu Geſicht zu bekommen. Sie ſind erſt drei Jahre dort,
und haben in dieſer kurzen Zeit gute Pachthöfe, Häuſer, Scheunen und
Mühlen aller Art, Brücken, Schulen, auch ein Rathhaus gebaut, und den
Plan zu einer Hochſchule entworfen. Und in Wahrheit, ſie haben mehr
für den wahren Wohlſtand ihres Staates gewirkt, als irgend einer der
erſten dreizehn Staaten der Union,
Die gegenwärtige Bevölkerung von Deseret wird auf 30,000 Seelen
geſchätzt; die Einwanderung dieſes Jahres, wird ihre Zahl auf 40,000
vermehren. Ich glaube ſogar, daß ſich die Einwohnerzahl in geometri—
ſchem Verhältniſſe ſteigern wird; indem die Mormonen, behufs der Un—
terſtützung armer Einwanderer, aus Europa ſowohl als Amerika, eine Kaſſe
mit bedeutenden Fonds geſtiftet haben. Letztes Jahr verwendeten ſie zu
dieſem Zwecke 6000 Dollar's, dieſes Jahr wurde letzte Summe auf
500,000 Dollar's vermehrt.“) Dieſe Summen find als freiwillige Bei⸗
träge zufammengebracht worden, und in die Hände von Verwaltern, welche
fie zu 7 pCt. ausleihen, gelegt, um damit die Einwanderer im Ankaufe von
Vieh und dem nöthigen Reiſegeräthe zur Paſſirung der Savannen zu un⸗
terſtützen. Das ſo eingehandelte Vieh wird dann hier, als genügende Ent⸗
ſchädigung für Kapital und Intereſſe, verkauft. Dabei gewinnen beide Bars
teien, und der urſprüngliche Werth dieſes Landgebietes mehrt ſich beſtändig.
Die Getreide-Ernte beläuft ſich dieſes Jahr auf 500,000 bis 1,000,000 Schef⸗
fel. Das Klima und der Boden ſcheinen beide zur Kornerzeugung vorzüglich
geeignet zu ſein; es giebt keine Kornwürmer, keine Schmeißfliegen, keinen
Brand im Getreide, welches auch im Winter nicht verdirbt. Nur der Mehl-
thau richtet zuweilen Schaden an. Der Morgen Landes erzeugt durchſchnitt⸗
lich fünfzig Scheffel Korn. Der türkiſche Weizen iſt nicht ſehr ergiebig; man
baut ihn nur wenig. Die andern Getreidearten gerathen wohl, auch alle
Heerden finden ihr Gedeihen, und brauchen im Winter nur wenig Unterhalt.
Aber ich wollte ihnen ja eine genauere Beſchreibung der Stadt und des Thales
liefern. Die erſte liegt am Fuße des Gebirges und iſt mit friſchem Waſſer
verſehen, mittelft zweier Bergſtröme, welche ſich in unzählige kleine Bäche ver-
theilen, und ſo allen Häuſern und Gärten der Stadt den nöthigen Waſſerbedarf
liefern. Selbe ift gegenwärtig 7 engliſche (nicht ganz 2 deutſche) Meilen lang,
und 2 Meilen (etwa 1 Stunde) breit; iſt in regelmäßige Vierecke eingetheilt,
und jedes Stück Land iſt groß genug um Gebäude und einen Garten darauf
einzurichten. Die Häuſer ſind größtentheils aus Adobien, d. h. von der Sonne
gebrannten Ziegelſteinen, gebaut. Durchſchnittlich ſind ſie klein, aber man
iſt im Begriff, große Bauten zu unternehmen, welche dieſen Sommer ihrer
Vollendung nahen. Unter den öffentlichen Gebäuden ſind die vorzüglichſten:
Das Regierungsgebäude, Rathhaus, die Poſt und das Gymnaſium, welches
dieſen Winter noch eine andere Schule als Zweiganſtalt der Univerſität
erhalten. Der große Platz, zur Erbauung des Tempels beſtimmt, ſteht noch
leer. Indeſſen halten die Mormonen ihre größern Verſammlungen in einem
umfangreichen Gebäude, Bowery, oder Gartenlaube genannt, welches mehrere
tauſend Perſonen faſſen kann. Nächſten Sommer werden ſie wahrſcheinlich
zur Erbauung ihres Tempels ſchreiten. Sie behaupten, daß ſie die Abſicht
haben, einen Tempel zu errichten, der an Größe und Pracht von keinem Ges
bäude der Erde übertroffen werden ſoll. Und in der That, ich glaube, daß ſie
es ausführen werden, weil es ihnen eben ſo wenig an Eifer als an Gold
gebricht. Die Bevölkerung der Stadt beläuft ſich etwa auf fünftauſend Ein⸗
wohner. Es giebt kleinere Städte und mehrere Dörfer in verſchiedenen Thei—
len des Thales. Die geſunde Lage deſſelben iſt ganz vorzüglich. Das vier—
tägige und Gallenfieber ſind gänzlich unbekannt. Die Jugend iſt kräftig
und ſchön, wie die Blumen im Mai. Ich halte es für wahr, daß dieſe Lan⸗
desgegend von der Grenze bis zur Sierra Nevada (Schneewüſte) ſich einer
äußerſt geſunden Lage erfreut.
*) Das iſt wohl eine übertriebene Angabe. (Bemerkung des Herausgebers.)
Hamburg.
Verfaßt und in Druck herausgegeben von John Taylor, Roſenſtraße No. 27,
wo Briefe und Beſtellungen, die Bezug auf dieſe Schrift haben, portofrei
empfangen werden.
— 2. —
(Preis 3 Schillinge.)
Hamburg. Gedruckt bei F. H. Neſtler und Melle.